Geldpolitik

Die EZB vollzieht die Wende – Zinsen sinken um 0,25 Prozentpunkte

EZB-Präsidentin Christine Lagarde gab am Donnerstag die Zinswende bekannt.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde gab am Donnerstag die Zinswende bekannt. Picturedesk
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Wie erwartet senkte die Europäische Zentralbank die Zinsen um einen Viertelprozentpunkt. Was bedeutet dieser Schritt für Inflation, Finanzmärkte, Sparer und Kreditnehmer?

Wien. Dass die EZB bei ihrer geldpolitischen Sitzung am Donnerstag die Phase der Zinssenkungen einleiten wird, hatte sich in den vergangenen Wochen bereits abgezeichnet. Und wie erwartet beschloss der Rat der Zentralbank eine Senkung der Zinsen um 0,25 Prozent. Damit ist EZB die erste der großen westlichen Zentralbanken, die sich für eine Zinssenkung entschieden hat. Die US-Notenbank Federal Reserve sowie die Bank of England haben zuletzt von diesem Schritt vorerst noch Abstand genommen.

Aber auch wenn der Zinsschritt nicht überraschend kommt, hat er Einfluss auf Konjunktur, Inflation und Unternehmen aber natürlich auch auf private Sparer und Kreditnehmer. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

1 Was hat die EZB konkret beschlossen?

Die Zentralbank senkt all ihre Leitzinsen um einen Viertelprozentpunkt. Der bekannteste Zinssatz ist jener für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte, der von 4,5 auf 4,25 Prozent gesenkt wurde. Zu diesem Zinssatz können sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank Liquidität ausborgen. Allerdings spielt dieser Zinssatz in der aktuellen Situation gar nicht die wichtigste Rolle. Denn aufgrund der EZB-Anleihenkaufprogramme der jüngeren Vergangenheit verfügen die Geschäftsbanken nach wie vor über eine sehr hohe Überschussliquidität. So haben die europäischen Banken in Summe nur rund eine Milliarde Euro über Refinanzierungsgeschäfte bei der EZB aufgenommen, aber 3200 Milliarden Euro im Zentralbankensystem hinterlegt. Für die Branche ist daher der Einlagenzinssatz relevanter. Zu diesem können die Institute Geld bei der EZB bzw. den nationalen Notenbanken parken. Und dieser Zinssatz wird um 0,25 Prozent auf 3,75 Prozent reduziert.

2 Was bedeutet das für die Wirtschaft?

Zinssenkungen sorgen in der Wirtschaft dafür, dass kreditfinanzierte Investitionen wieder billiger werden. Das sollte der lahmenden Konjunktur helfen, wieder an Tritt zu gewinnen, was auch einer der Gründe für die Zinssenkungen ist. Allerdings sorgt eine Verbilligung von Krediten auch für einen Anstieg der Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen. Und das kann – wenn sich das Angebot nicht auch entsprechend ausweiten lässt –, den Preisdruck wieder verschärfen. Der Kampf gegen die ausufernde Inflation war schließlich der Grund für die starken Zinserhöhungen ab dem Sommer 2022. Nun stellt sich die Frage, ob die Teuerung bereits wieder weit genug zurückgegangen ist, sodass der Zinsgriff gelockert werden kann, ohne dass die Inflation zurückkehrt. Und jüngste Inflationszahlen befeuerten Sorgen, dass es zu früh sein könnte.

So erhöhte sich die Inflation in der gesamten Eurozone zuletzt von 2,4 auf 2,6 Prozent. In Ländern wie Spanien oder Belgien, die 2023 bereits Monate mit Inflationsraten von unter zwei Prozent hatten, stieg die Teuerung zuletzt sogar auf 3,8 beziehungsweise 4,9 Prozent. Grund dafür ist, dass in vielen Ländern die Inflationsraten mittels staatlicher Preiseingriffe gesenkt wurden. Nun laufen diese Eingriffe sukzessive aus, weshalb es zu sprunghaften Anstiegen der Teuerung kommt. Ein Punkt, den man auch bei der EZB sieht: Die Ökonomen der Zentralbank erhöhten ihre Inflationserwartungen und prognostizieren für 2024 jetzt einen Wert von 2,5 Prozent und 2025 von 2,2 Prozent.

3 Welche Auswirkungen hat das auf den Euro?

Wenn die Zinsen in Europa sinken und in den USA hoch bleiben, schwächt das in der Regel den Kurs des Euro gegenüber dem Dollar. Dieser Effekt war auch 2022 zu sehen, als die Fed rund ein halbes Jahr vor der EZB mit den Zinserhöhungen begann. Das Problem dabei: In Dollar gehandelte Waren wie Öl werden für europäische Käufer neuerlich teurer, was die Inflation zusätzlich anheizt. Von der Zinssenkung um 0,25 Prozent am Donnerstag zeigte sich der Kurs aber noch eher unbeeindruckt.

4 Wie reagieren die Finanzmärkte?

Kurz vor dem Zinsentscheid haben die europäischen Börsen zugelegt. Der Euro-Stoxx 50 lag zu Mittag leicht im Plus, ebenso wie der Frankfurter Leitindex DAX. Die Aktienmärkte sind im bisherigen Jahr allerdings auch schon gut gelaufen. Auch, weil die Aussicht auf Zinssenkungen die Börsen in der Regel beflügelt. Hätte die EZB die Zinsen nicht wie erwartet gesenkt, hätte es wahrscheinlich eine kräftigere und negative Reaktion der Märkte gegeben.

5 Was heißt das für Sparer/Kreditnehmer?

Da die Finanzmärkte schon seit Monaten mit Zinssenkungen rechnen, wurden dies bereits in den Sparprodukten eingepreist. Laut Angaben des Vergleichsportals Durchblicker stagnieren die Tagesgeldzinsen seit Dezember 2023 bei drei Prozent. Auch die Festgeldzinsen sinken seit Februar. Das hat auch dazu geführt, dass die Anfragen für Sparprodukte bei Durchblicker in den Monaten April und Mai bereits um die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen sind. Viele haben in weiser Voraussicht auch noch schnell Sparprodukte mit Zinsbindung abgeschlossen, weil sie wissen, dass es so hohe Zinsen wie zuletzt in naher Zukunft nicht mehr geben wird.

Auch der Zinssatz für Wohnbaukredite sinkt seit dem November des Vorjahres – damals wurde ein vorläufiges Hoch von 4,17 Prozent erreicht. Der kapitalgewichtete Durchschnittszinssatz für das Neugeschäft betrug im April (neuere Daten sind bei der Notenbank noch nicht verfügbar) jedoch „nur“ noch 3,98 Prozent.

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