Buch der Woche

Theodora Bauer: Mit Pudel Luzi durch einen Riss in der Zeit

Theodora Bauer, geboren 1990, lebt in Wien und Burgenland.
Theodora Bauer, geboren 1990, lebt in Wien und Burgenland.Walter Pobaschnig
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Theodora Bauer präsentiert in „Glühen“ eine zutiefst verunsicherte Heldin, die mit Problemen der Gegenwart, ihrem Verlangen nach sexueller Erfüllung als auch mit ihrer Arbeit über Schnitzler, Horváth und Co. hadert. Eine Fundgrube literarischer Bezüge – und mehr Novelle denn Roman.

Lisa-Marie „Lima“ Weinhager will für einige Wochen Wien und das wissenschaftlich-intellektuelle Leben – Literatur! – hinter sich lassen. Sie zieht daher in eine Pension auf einen Berg mit Zuganschluss, einen mäßigen Berg, „nicht eigentlich hoch, aber höher als“. „Sommerfrische wie damals“ soll es für sie sein, die über „Schnitzler, Horváth und Co.“ schreibt. Deren Zeit ist für sie Schritt für Schritt, Gedanke für Gedanke präsent, eine Déformation professionelle, die so manch historisch arbeitendem Mensch bekannt sein dürfte. Manchmal „kamen ihr die Zeiten durcheinander, ein dünnflüssiger Brei, gar nicht tief, aber alles bedeckend“, ein Geisteszustand, der Theodora Bauers „Glühen“ zu einer literarischen Bezügefundgrube macht.

In Limas Wahrnehmung mehren sich heute wie vor dem Großen Krieg die Zeichen für den Weltuntergang. Von Pandemie, Krieg und Weltraumschrott bis zur Klimakrise mit ganz konkret im Hintergrund dräuenden Waldbränden: Alles ist der Figur präsent und begründet ihre Untergangsstimmung; all die Unbill gilt es zu ertragen bei gleichzeitiger Anerkennung des Fortschritts auf Gebieten wie Bildungszugang und Impfstoffentwicklung. Und bei chronischem individuellem Verlangen nach sexueller Erfüllung. Von Anfang an ist klar: Diese Protagonistin ist nicht nur von der allgemeinen, sondern auch einer speziellen Verunsicherung erfasst, und es wird nicht einfach, sie da durchzubegleiten.

Flucht in die Einschicht

Lima flüchtet vor der Einsicht in die Einschicht, nämlich die einer Semmering-artigen Szenerie, und zwar ohne Bücher, in denen sie erfolglos das Leben gesucht hat. Insbesondere hat sie genug vom theoretischen Sex, die „Darstellung von Sexualität bei Schnitzler“ war das Thema ihrer jüngsten Veröffentlichung, aber sogar bei der war sie nur „et al.“. Ihre Kollegen sind Randfiguren, „schwächliche Wissenschaftsmachos, die sich nicht einmal zu einer wirklichen Intrige durchringen konnten“, aber sogar für einen Platz am Rand ist Lima in ihrer Eigentümlichkeit ungeeignet. Sie würde gern „mehr Männer in der Literatur lesen, die sie erregten“. Aber wie als Frau über Sex schreiben oder öffentlich sprechen, mit „sonorer Stimme“, Brille und „sorglosem Wasserglas“ im „abgewetzten Tweedsakko“, ohne selbst sexualisiert zu werden oder lächerlich zu wirken?

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