Spectrum

Digital in den Neunzigerjahren: Es rauschte, knackte, krächzte und fiepte

Foto: Archiv Klaus Fischer/Sorge via www.imago-images.de
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Manchen von uns klingt die Kakofonie eines 56-k-Modems noch im Ohr, das Piepsen eines Faxgeräts, das Rauschen eines Kassettenrekorders. Digitaler Wohlklang hat die Lebenszeichen technischer Geräte ersetzt. Über das Verschwinden sperriger Geräusche und warum es ganz ohne Lärm nicht geht.

Das könnte dir auch gefallen!“ Der Algorithmus meint, meine Vorlieben zu kennen. Ganz schön anmaßend! Haben Sie auch gelegentlich das Bedürfnis, ihm ein Schnippchen zu schlagen? Als mir in einem Streamingportal unlängst „Blade Runner 2049“ empfohlen wurde, klickte ich nicht auf die vorgeschlagene Fortsetzung, sondern suchte nach Ridley Scotts Original aus den Achtzigern. Ich war sieben, als der Film in die Kinos kam, und Anfang zwanzig, als ich ihn zum ersten Mal anschaute. Inzwischen ist „Blade Runner“, das Original, zu einer bildgewaltigen, dystopischen Zukunftsvision geworden, die allerdings in die Vergangenheit entführt. Das Jahr, in dem sie spielt: 2019. Die einst ferne Zukunft ist also überholt. Das machte mich neugierig, weil der imaginierte technische Fortschritt sich nun mit dem tatsächlich eingetretenen vergleichen lässt; und so ging ich daran – bildlich, in Wahrheit lag ich auf der Couch, eine Schale dampfendes Popcorn in der Hand –, die Fiktion an der Realität zu messen. Ganz so überraschend gestaltete sich die Sache dann zwar nicht, denn im Großen und Ganzen erinnerte ich mich an die Cyberpunk-Welt, deren künstliche Menschen und fliegende Autos immer noch Zukunftsmusik sind; doch im vergessenen Detail entdeckte ich Anachronistisches.

In der Szene, an der ich hängen blieb, wurde in ein Foto gezoomt. Im Film war der Aufwand, den dieser heute so beiläufige Vorgang erfordert, enorm und das ihn ausführende Gerät seltsam klobig, auch wenn es sich bereits über Sprachbefehle steuern ließ: ein Display mit blinkendem Raster; ein Zielkreuz, das sich langsam in Richtung des gewünschten Feldes bewegte, während das Gerät blinkte und bleepte. Jedem der vielen kleinen Vergrößerungsschritte, die folgten, war ein lautes Klick-Geräusch unterlegt, als drückte jemand den Auslöser einer Kamera (Klick, klick, klick. Halt. Noch ein bisschen näher. Klick, klick, klick. Zurück und nach rechts fahren. Klick, klick, klick). Sollte mir das Geräusch verstehen helfen, wie das Gerät arbeitete, oder bloß unterstreichen, dass es arbeitete, ja sogar hart arbeitete, dass komplexe Arbeit großen Lärm machte?

Die Vergrößerung erfolgt prompt

Ich zoome in ein Foto auf dem Display meines Handys, um mich eines Gesichtsausdrucks – zieht sie eine Grimasse? Oh ja! – zu vergewissern. Eine sanfte Bewegung von Daumen und Zeigefinger. Die Vergrößerung erfolgt prompt und scheinbar anstrengungslos, jedenfalls gibt das Handy dabei keinen Laut von sich. Würde es piepsen, wäre es mir lästig. Doch knipse ich ein Foto. Und noch eines. Klick. Klick. Verhält sich die Sache anders. Obwohl ich weiß, dass sich im Gehäuse meines Handys keine Mechanik verbirgt, die das Klicken verursacht, ich nur sein digitales Echo höre und es also ganz leicht dauerhaft ausschalten könnte, habe ich nie daran gedacht. Es ist mir angenehm, dieses besondere Klicken. Beim Fotografieren misstraue ich der Stille. Mit analogen Fotoapparaten bin ich aufgewachsen, und so lasse ich mir gern akustisch bestätigen, dass eine Aufnahme geklappt hat. Klick.

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