Leitartikel

Ein Erfolg der FPÖ: Zu Recht und zu Unrecht

Herbert Kickl
Herbert KicklAPA / APA / Georg Hochmuth
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Wer mit Illusionen Politik und Stimmung macht, darf sich nicht wundern, wenn dafür die Rechnung präsentiert wird.

Dass die FPÖ jemals eine EU-Wahl gewinnt, hätte auch kaum jemand gedacht. Bisher hieß es immer, die EU-kritischen freiheitlichen Wähler würden zu so einer Wahl gar nicht erst hingehen. So ist es nun ein Menetekel für die Nationalratswahl. Die Umfragen halten, was sie für die FPÖ versprechen. Auch das ist lange Zeit anders gewesen.

Das wichtigste Wahlmotiv für FPÖ-Wähler: die Migration. Die Pointe daran: Ausgerechnet jene, die über den FPÖ-Erfolg nun am meisten erschüttert sein werden, die Linken und Liberalen, haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet. Indem sie damit einhergehende Probleme jahrelang weggewischt oder geleugnet haben. In einer Mischung aus Tugendterror und Doppelmoral. Alle waren willkommen, die Herkunft von Straftätern sollte nicht genannt werden, die eigenen Kinder wurden in die Privatschule geschickt, darüber hinaus galt: aus den Augen, aus dem Sinn. Mehr als eine „Demo gegen rechts“ und ein erleichterter Zugang zur Staatsbürgerschaft fiel den meisten nicht ein. Aber auch das könnte sich als Illusion entpuppen: Denn auch Zuwanderer wählen FPÖ.

Frühere Sebastian-Kurz-Wähler übrigens auch. Ihm war es gelungen, das Thema Migration für die ÖVP zu besetzen, laut Wahltagsbefragung von Peter Hajek sind türkise Wähler nun (wieder) bei der FPÖ angekommen. Und viele Menschen, die zur Corona-Zeit erstmals zur FPÖ gefunden haben, sind dort geblieben. Das ist in der Tat irrational – denn die Regierung hat hier nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt –, aber es ist eben so.

Und es gibt auch einen Teil der Bevölkerung, der der EU kritisch gegenübersteht, in Sachen Überregulierung und Überforderung mit ständig neuen Richtlinien durchaus zu Recht. Auf der anderen Seite gibt es auch ein Potenzial für das Hurra-Europäertum, das die Neos nutzen konnten, nicht so stark wie erwartet freilich. Sie haben wohl auch von der Causa Schilling profitiert. Hier hatten die Wähler durchaus ein feines Gespür, dass man – um es einmal vorsichtig zu formulieren – derart verhaltensoriginelle Menschen nicht mit (zu viel) Macht ausstatten sollte. Da ist es besser, man drückt rechtzeitig die Stopptaste, bevor es zu spät ist. Auch wenn die Geschichte sehr verästelt ist und man nicht alle Darsteller in der Causa Schilling und ihre Hintergründe kennt.

Für die Kanzlerpartei ÖVP ist es ein Schuss vor den Bug. Sie hat bis zur Nationalratswahl noch Zeit zu retten, was zu retten ist. Reinhold Lopatka hat das nun bei der EU-Wahl getan. Substanz macht sich letztlich eben doch bezahlt. Karl Nehammer kann weitermachen und hoffen, dass es so etwas wie einen Kanzlerbonus doch noch gibt. Sonst wird die ausgelaugte Volkspartei nach den Jahren der Sebastian-Kurz-Party aus dem Kanzleramt verräumt.

Ob von der SPÖ, ist allerdings fraglich. Andreas Bablers Ansage, er würde die Wähler von der FPÖ zur SPÖ zurückholen können, hat sich ebenfalls als das entpuppt, was immer zu erwarten war: als Illusion. Karl Nehammer kann nun tatsächlich das bislang fiktive Duell mit Herbert Kickl ausrufen.

E-Mail an: oliver.pink@diepresse.com

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