EU-Wahl

Ausbleiben eines Fiaskos reicht Grünen für Applaus

Für Spitzenkandidatin Lena Schilling war es ein schwieriger Wahlkampf.
Für Spitzenkandidatin Lena Schilling war es ein schwieriger Wahlkampf.APA/Georg Hochmuth
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Nachdem die Vorwürfe gegen Lena Schilling den Wahlkampf überschattet hatten, war der Wahltag für die Öko-Partei eine Zitterpartie. Die Ergebnisse sind bitter, aber weniger bitter als sie hätten sein können.

Wenn man mit einer Katastrophe rechnet, sind mittelschwere Verluste ein Grund für mittellauten Applaus und einige Erleichterung. Das zeigt sich am Sonntagabend im Metropol-Kino im 17. Wiener Gemeindebezirk, wo die Grünen schon fast traditionell ihre Wahlparty begehen. 2019 stimmten 14 Prozent der Wähler für die Grünen, nun waren es 10,9 Prozent. Die Öko-Partei liegt damit auf Platz vier, noch vor den Neos. Bitter ist für sie, dass eines der drei EU-Mandate verloren geht, konkret wohl jenes der oberösterreichischen Landtagsabgeordneten Ines Vukajlović.

Dass es ein Experiment sein würde, mit der 23-jährigen Umweltaktivistin Lena Schilling als Spitzenkandidatin in die EU-Wahl zu gehen, war den Grünen von Anfang an bewusst. Weil sie sehr jung ist – und Quereinsteigerin. Welches Wagnis es tatsächlich gewesen sein sollte, zeigte sich erst vor einigen Wochen, als der „Standard“ einen Bericht veröffentlichte, in dem von schwerwiegenden Vorwürfen gegen Schilling die Rede war. Sie soll Unwahrheiten über Freunde, Politiker und Journalisten verbreitet, und sie damit in Bedrängnis gebracht haben.

Damit nahm der grüne Wahlkampf eine ganz neue Wendung. Plötzlich konnte man nicht mehr ausschließlich über das Lieblingsthema Klimaschutz reden, bei dem die Grünen ja fast vollkommen konkurrenzlos dastehen. Nein, nun mussten sich Schilling und die grüne Parteispitze vor allem zu den Vorwürfen äußern und „Charakterfragen“ beantworten. Für die Partei war eine solche Situation absolutes Neuland, entsprechend tollpatschig reagierte sie. Die Parteispitze machte Schilling, die als Erfindung von Klubchefin Sigrid Maurer gilt, die Mauer. Sowohl Parteichef Werner Kogler als auch Generalsekretärin Olga Voglauer mussten sich nach Pressekonferenzen für die dort getätigten Aussagen entschuldigen.

Horrorszenario: Einstellig

Auch deshalb war im Vorfeld des Wahltages klar: Bei einem Wahldebakel – als solches galt in Parteikreisen im Vorfeld ein Abrutschen unter zehn, schlimmstenfalls acht Prozent – würde die Disziplin innerhalb der Partei nicht aufrechtzuerhalten sein. Zuvor hatte es nur vereinzelt Kritik an der Parteispitze gegeben. Mit dem Endergebnis ist man bei den Grünen nun zwar nicht unbedingt glücklich, angesichts der vergangenen Wochen aber einigermaßen zufrieden. Das Narrativ lautet: 2019 hatte man das historisch beste Ergebnis erreicht, eh klar, nach Ibiza.

Zum Einzug der Spitzenkandidatin und der Parteispitze auf der Walparty spielen die Grünen schließlihc wenig subtil die „Fantastischen Vier“: „Du hattest gute Zeiten / Wir waren mit dabei / Wir werden dich begleiten / Wir bleiben troy“, tönt aus den Lautsprechern. Parteichef Kogler gibt sich in seiner Rede betont nachdenklich. „Ich weiß, dass es schwierig ist und schwierig war, bei einem derartigen Gegenwind, aufzustehen und zu laufen“, sagt er. Und räumt ein: „Es wurde unseren Sympathisanten einiges zugemutet. Wir haben ihnen einiges zugemutet. Wir haben auch Fehler gemacht. Das werden wir aufarbeiten.“ Die Entscheidung für Schilling als Spitzenkandidatin sei aber eine „sehr sehr gute und richtige“ gewesen.

„Un-fucking-fassbar“

Bezugnehmend auf den Wahlsieg der FPÖ werden die Grünen an diesem Abend nicht müde, immer und immer wieder zu warnen, dass das auch ein Vorgeschmack auf die Nationalratswahl im Herbst sein könnte. Auch Schilling erklärt, es brauche Kämpferinnen und Kämpfer gegen den Rechtsruck jetzt mehr als je zuvor. Zu den versammelten Grünen sagt sie: „Ihr seid diejenigen, mit denen ich Seite an Seite stehen will, auch in Zukunft. Ihr seid un-fucking-fassbar.“ Dass sie das mit so viel Nachdruck sagt, dürfte auch daran liegen, dass sie im Wahlkampf mit diversen Chats konfrontiert war. Bei der Überlegung, für die Grünen zu kandidieren, beschreibt sie darin einer Freundin gegenüber ihr schwieriges Verhältnis zur Partei.

In den letzten Tagen des Wahlkampfes haben die Grünen auch deshalb einen strategischen Stunt unternommen und den Listenzweiten Thomas Waitz sowie Vukajlović verstärkt für Vorzugsstimmen ins Spiel gebracht. Wählern, die eigentlich Grün wählen würden, aber von der Causa Schilling abgeschreckt waren, sollte damit eine Alternative aufgezeigt werden, die dennoch mit einem grünen Kreuzerl endet. Das dürfte einigermaßen gut funktioniert haben

Für Schilling gibt es am Sonntagabend jedenfalls frenetischen Applaus. Auch, wenn kurz zuvor an der Bar noch halb ernst, halb witzelnd geraunt geraunt worden war: „Das mit den Quereinsteigern, das mach ma nimmer.“

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