EU-Wahlmotive

Wer hat für die FPÖ gestimmt? Und wer für die anderen?

FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky und Bundesparteiobmann Herbert Kickl bei der Wahlparty der Freiheitlichen in Wien.
FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky und Bundesparteiobmann Herbert Kickl bei der Wahlparty der Freiheitlichen in Wien.(c) APA / Helmut Fohringer
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Die zentralen Themen, die die Wählerinnen und Wähler bewegt haben, waren Zuwanderung, Sicherheit und Krieg. Leicht gestiegen ist unter den Österreicherinnen und Österreichern der Wunsch nach einem EU-Austritt. Wohin die Wähler gingen und woher die Wählerinnen kamen - ein Überblick.

Wer hat für die FPÖ gestimmt und aus welchen Gründen? Und wie war das Verhalten der österreichischen Wählerinnen und Wähler damit im Vergleich zur bisher letzten EU-Wahl vor fünf Jahren? Diese Fragen beschäftigten wohl nicht nur die politische Konkurrenz - etwa der drittplatzierte Andreas Schieder (SPÖ) zeigte sich noch am Wahlabend sichtlich verärgert darüber, dass die Sozialdemokraten zwar „die richtigen Themen angesprochen“ hätten, trotzdem aber stimmenmäßig nicht reüssieren konnten. Auch Meinungsforscherinnen und -forscher gingen der Frage nach den Wahlmotiven und den „Strömen“ der Stimmabgebenden nach. Die Ergebnisse sind durchaus komplex - eine Einordnung:

Beginnend bei dem Alter lässt sich festhalten, dass die FPÖ mit ihrem Spitzenkandidaten Harald Vilimsky vor allem von älteren Personen sowie Arbeiterinnen und Arbeitern profitiert hat. Das geht aus der ORF-Wahlbefragung von Foresight und ISA hervor. Bei der Bevölkerung ab 30 Jahren kam sie demnach auf 28 Prozent, bei jener darunter auf 20. Arbeiter kreuzten zu 45 Prozent FPÖ an, hier gibt es also beinahe eine absolute Mehrheit für die Blauen. Bei Angestellten und Selbstständigen schnitt die FPÖ hingegen deutlich schlechter ab. ÖVP und SPÖ waren bei der Altersgruppe ab 60 Jahren besonders stark (27 bzw. 26 Prozent). Bei den Unter-29-Jährigen performten Neos und KPÖ überdurchschnittlich gut. Die Grünen holten 19 Prozent bei Menschen mit Universitätsabschluss.

FPÖ fischt im ÖVP- und Nichtwähler-Teich

Die meisten ihrer neuen Stimmen konnte die FPÖ aus dem ÖVP-Lager lukrieren: Von den 1,3 Millionen türkisen Wählerinnen und Wählern aus dem Jahr 2019 entschieden sich rund 221.000 dieses Mal für Blau. Punkten konnte die FPÖ auch bei den Nichtwählern, von denen sie rund 100.000 Stimmen bekam. Und 76 Prozent der blauen Wähler kreuzten neuerlich die FPÖ an - der Bestwert unter allen Parteien. Konkret bestehen damit die rund 891.000 FPÖ-Stimmen (inkl. Wahlkarten-Prognose, Anm.) vom Sonntag nur zu 55 Prozent aus FPÖ-Wählern von 2019. Ganze 25 Prozent der nunmehrigen FPÖ-Wähler kommen aus dem ehemaligen Pool der ÖVP-Wählerschaft der letzten EU-Wahl. Elf Prozent wurden aus dem Nichtwähler-Lager lukriert, fünf Prozent aus jenem der SPÖ. Von den rund 905.000 ehemaligen SPÖ-Wählern wanderten rund 42.000 in Richtung FPÖ.

Abgänge aus dem blauen Lager gab es dagegen wenige: Während 76 Prozent (492.000) der 650.000 FPÖ-Wähler von 2019 wie erwähnt auch diesmal wieder für ihre Stammpartei votierten, gab es den noch größten Abgang mit neun Prozent (56.000) ins Nichtwähler-Lager. Weitere sechs Prozent (42.000) wechselten dieses Mal zur SPÖ. Drei Prozent (23.000) gingen laut Wählerstromanalyse ins Lager der neuen Liste DNA, die wie die FPÖ ein coronamaßnahmenkritisches Programm fuhr und etwa auch bei der Russland/Ukraine-Politik ein ähnliches Programm wie die FPÖ aufbot.

Die ÖVP, die trotz eines Rekord-Verlusts von minus 9,9 Prozentpunkten mit 0,8 Prozentpunkten Abstand hinter der FPÖ auf Platz zwei landete, konnte 60 Prozent (rund 789.000 Stimmen) ihrer 1,3 Millionen Wähler aus dem Jahr 2019 wieder für sich gewinnen. Während der größte Abgang wie erwähnt mit rund 221.000 Stimmen an die FPÖ ging, verlor die Volkspartei auch stark an die Nichtwähler: Rund 117.000 bzw. 9 Prozent der türkisen Wähler aus dem Jahr 2019 blieben dieses Mal zuhause. Abgänge gab es u.a. auch in Richtung SPÖ (64.000 bzw. 5 Prozent), Neos (47.000 bzw. 4 Prozent) und an die DNA (32.000 bzw. 2 Prozent).

KPÖ konnte Ex-FPÖ-Wähler mobilisieren

Die SPÖ, die einen Rekord-Tiefststand bei EU-Wahlen hinnehmen musste, verlor die meisten ihrer Wähler an die Nichtwähler: Rund 159.000 bzw. 18 Prozent davon gingen am Sonntag nicht zur Wahl. Den zweitgrößten Abgang verzeichnete man bei den Roten in Richtung Neos. Die Grünen verloren mit den 67.000 Stimmen am meisten in Richtung SPÖ. Dies entspricht 13 Prozent der rund 532.000 Grün-Wähler aus dem Jahr 2019. Mit weiteren rund 58.000 Stimmen bzw. elf Prozent der Wählerschaft aus der letzten EU-Wahl verzichteten dieses Mal auch viele Grün-Wähler komplett auf den Urnengang.

Die Neos konnten vor allem ehemalige Wähler von SPÖ, ÖVP und Grünen überzeugen: Rund 58.000 der Neos-Wähler hatten 2019 noch für die SPÖ gestimmt, 47.000 für die ÖVP und 43.000 für die Grünen. Aus dem Nichtwählerlager kamen rund 12.000 Stimmen. Die KPÖ mobilisierte vor allem ehemalige Grüne, aber auch ÖVP-Wähler und sogar FPÖ-Wähler. Die erstmals angetretene Liste DNA lukrierte die meisten Stimmen aus dem ehemaligen Lager der ÖVP, gefolgt von Ex-FPÖ-Wählern und ehemaligen Grünen.

„Zuwanderung“ und „Sicherheit“ zentrale Themen

Mit ein Grund für den Wahlausgang war laut Meinungsforschern das Stimmungsbild in der Bevölkerung: Knapp die Hälfte der Menschen (48 Prozent) sah die Entwicklung der EU in den letzten fünf Jahren negativ. 2019 waren mit 38 Prozent noch deutlich weniger dieser Meinung. Der Anteil der Befragten, die eine positive Entwicklung wahrgenommen haben, ist mit 20 Prozent dagegen fast stabil (gegenüber 22 Prozent 2019). Im Wahlkampf standen die Themen „Zuwanderung“ sowie „Sicherheit und Krieg“ im Mittelpunkt.

Fast jede zweite Person gab an, in den vergangenen Wochen sehr häufig über Zuwanderung, Sicherheit und Krieg diskutiert zu haben (44 Prozent). „Zuwanderung“ hat dabei an Bedeutung gewonnen. 2019 sagten 31 Prozent der Befragten, viel darüber gesprochen zu haben. Es folgten die Themen „Umwelt- und Klimaschutz“ (33 Prozent) sowie „Wirtschaft“ (32 Prozent).

Wunsch nach EU-Austritt gestiegen

Leicht gestiegen ist laut der Umfrage der Wunsch nach einem EU-Austritt Österreichs. 11 Prozent der deklarierten Wählerinnen und Wähler (871 Personen) befürworten diese Agenda „sehr“, weitere 8 Prozent „ziemlich“. 2019 waren es 4 bzw. 8 Prozent; 2014 9 bzw. 12 Prozent. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit will allerdings nicht aus der EU austreten.

Bei allen Wählergruppen waren die Inhalte das Top-Wahlmotiv. ÖVP und SPÖ profitierten zudem von Stammwählerinnen und -wählern. 21 bzw. 19 Prozent gaben als Hauptwahlgrund an, immer diese Partei zu wählen. Noch wichtiger waren im Verhältnis die Inhalte bei FPÖ, Grünen und Neos.

Spitzenkandidaten relativ bedeutungslos

Die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten spielten hingegen keine große Rolle. In dieser Frage gab es einen starken Kontrast zum Jahr 2019. Reinhold Lopatka (ÖVP) wurde von 6 Prozent als Wahlgrund genannt, Othmar Karas damals von 18 Prozent. Harald Vilimsky (FPÖ) fiel im Fünfjahresvergleich von 17 auf 3 Prozent. Noch weniger relevant waren die europäischen Spitzen. 16 Prozent der Neos-Wähler taten dies, um eine pro-europäische Partei zu stärken. (APA/Red.)

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