Analyse

Ungarn: Viktor Orbán verliert erstmals seit Jahren die Mehrheit

Peter Magya fordert in Ungarn den Premier heraus. Seine Tisza-Partei wird bei den Europawahlen nach Hochrechnungen zweite Kraft.
Peter Magya fordert in Ungarn den Premier heraus. Seine Tisza-Partei wird bei den Europawahlen nach Hochrechnungen zweite Kraft.Reuters / Bernadett Szabo
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Die Tisza-Partei von Péter Magyar kommt dem Nationalpopulisten mit 31 Prozent gefährlich nahe. Seit Langem gibt es in Ungarn wieder eine politische Kraft, die es mit der Regierungspartei aufnehmen kann.

Zwar konnte die nationalpopulistische Regierungspartei Fidesz von Premier Viktor Orbán die EU-Wahl in Ungarn wie erwartet gewinnen. Im Vergleich zu früheren Europawahlen, als sie stets über 50 Prozent der Stimmen errungen hatte, musste sie aber große Verluste hinnehmen.

Fidesz kommt auf knapp 45 Prozent Stimmen - das ist das schwächste Ergebnis seit dem EU-Beitritt Ungarns 2004. Die Tisza-Partei des Polit-Senkrechtstarters Péter Magyar schafft es hingegen auf beinahe 30 Prozent und kann damit mit sieben Mandaten rechnen.

Die linke Demokratische Koalition von Ex-Premier Ferenc Gyurcsány (2004-2009) dürfte im einstelligen Bereich bleiben, ebenso die rechtsradikale Partei „Unsere Heimat“. Die anderen Oppositionsparteien dürften die Fünf-Prozent-Hürde für ein Mandat ins EU-Parlament nicht überspringen. Die Wahlbeteiligung lag bei einem Rekordwert von mehr als 56 Prozent.

Harte Bandagen im Wahlkampf

Was den Wahlkampf angeht, gab es in Ungarn noch keine EU-Wahl, bei der mit so harten Bandagen gekämpft wurde wie dieses Jahr. Der Stellenwert der heurigen Wahl ist nicht zuletzt daran abzulesen, welche Summen die nationalpopulistische Regierung unter Premier Viktor Orbán für Online-Wahlkampfwerbung ausgab. Die einschlägigen Ausgaben der Regierungspartei Fidesz überflügeln jede andere Partei in der Europäischen Union um Längen, wie die Zeitschrift „Politico“ berichtete.

Der Grund dafür, warum der Fidesz und seine schrille Propagandamaschinerie während des EU-Wahlkampfs in die Vollen ging, liegt darin, dass es in Ungarn seit Langem wieder eine politische Kraft gibt, die es mit der Regierungspartei aufnehmen kann: die Tisza-Partei unter Shootingstar Péter Magyar. Während der Fidesz einen nicht geringen Teil seiner Wahlkampfressourcen dafür ausgab, Magyar nach Strich und Faden zu verleumden, verwandte er den anderen Teil darauf, die ungarische Wählerschaft in Angst und Schrecken zu versetzen.

Stilisierte die Regierungspartei doch den EU-Wahlkampf zu einer Frage zwischen Leben und Tod hoch. So stellten Orbán und der Fidesz die Wähler vor die Wahl von Krieg und Frieden. Während sie in der Endlosschleife betonten, dass „Brüssel“ und die gesamte ungarische Opposition für eine Fortsetzung des Krieges in der Ukraine seien, stellten sich Orbán und seine Partei als „Garanten des Friedens“ dar.

Zwietracht gesät

Die Opposition in Ungarn versuchte sich nach Kräften gegen dieses Narrativ Orbáns und des Fidesz zu wehren, wonach sie zum Lager der Kriegstreiber gehöre. Am erfolgreichsten gelang dies der Neo-Partei Tisza und Péter Magyar. Magyar, der als ehemaliger Insider des Orbánschen Machtapparates erst vor wenigen Monaten auf die politische Bühne getreten war, warf Orbán und seiner Regierung im Wahlkampf vor, Zwietracht und Kriegsstimmung im Land zu säen, anstatt sich um die wahren Probleme Ungarns zu kümmern. Zu diesen zählt Magyar unter anderem das Bildungs-, Gesundheits- und Justizsystem, die allesamt im Argen lägen.  

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