Kriminelle Organisation

Jugendbande zwischen Schutzgeld und Terror

Eine Jugendbande (Symbolfoto), die Schutzgeld eintreiben wollte, stand in Wien vor Gericht.
Eine Jugendbande (Symbolfoto), die Schutzgeld eintreiben wollte, stand in Wien vor Gericht.Clemens Fabry
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Eine aus dem migrantischen Milieu stammende Bande wollte durch Schutzgelderpressung an das große Geld kommen.

Die kriminelle Energie der beiden Anführer der Jugendbande sei „beispiellos“, stellte die Staatsanwältin am Montag in ihrem Plädoyer fest. Dementsprechend umfangreich war die Anklage, die gegen den 19-jährigen Tschetschenen A. und den 18-jährigen, bosnisch-stämmigen Jugendlichen M. erhoben wurde. Von Letzterem gehe ein „enormes Gefahrenpotenzial aus“, hieß es weiter.

Zu Buche standen: Bildung einer kriminellen Vereinigung, schwere Erpressung, schwerer Raub, Brandstiftung, schwere Körperverletzung, schwere Sachbeschädigung, Einbruchsdiebstahl, verbrecherisches Komplott, Verstöße gegen das Kriegsmaterial und das Waffengesetz. Es sei auch keine Reue zu erkennen, ergänzte die Anklägerin im Rahmen des im Straflandesgericht Wien stattfindenden Prozesses. Die beiden jungen Männer hatten zuvor Geständnisse abgelegt, dann aber jede Aussage verweigert.

Anklage gegen zehn Personen

Insgesamt sind zehn Jugendliche und junge Erwachsene angeklagt. Zu den Jüngsten zählen ein zu den Tatzeiten erst 14-jähriger Türke, der gleichaltrige E. – er weist trotz seines jugendlichen Alters schon zwei Vorstrafen wegen Gewaltdelikten auf (den Behörden gelang es bisher nicht, dessen Staatsangehörigkeit zu klären) und der zum Tatzeitraum 15-jährige syrischer Asylwerber, der mit seinen elf Geschwistern erst in der Türkei lebte, ehe er nach Österreich kam. Der „Senior“ der Runde ist ein 21-jähriger Tschetschenien-Flüchtling. Dieser weist laut der Wiener Jugendgerichtshilfe eine „mögliche fortgeschrittene religiös-islamistische Radikalisierung“ auf.

25.000 Euro verlangt

Im Zentrum der Anklage steht der Versuch der jungen Männer, in wechselnder Zusammensetzung von einem Handyshop-Betreiber in Wien-Meidling Schutzgeld einzutreiben. Man würde dafür „vier gute Männer“ zum Schutz des Opfers abstellen, teilte die Bande vorigen September mit. Dafür sollten 25.000 Euro fließen. Der aus Indien stammende Mann zahlte aber nicht, sondern wendete sich an die Polizei.

Im Rahmen der systematischen Erpressungsversuche hatte die Organisation mehrere gezielte Angriffe gegen das Geschäft gestartet, um den Shop-Betreiber einzuschüchtern. Einmal warfen sie einen Molotowcocktail in das Geschäftslokal, was zu einem Brand führte. Beinahe wäre die Frau des Geschäftsinhabers von der Brandbombe getroffen worden. Das Ehepaar machte dazu übereinstimmende Zeugenaussagen: Es habe sofort gebrannt, sie seien nur durch einen glücklichen Zufall nicht getroffen worden.

Sturmhauben in der Moschee

Nur vier Tage nach diesem Angriff stürmten mit Sturmhauben vermummte Bandenmitglieder, bewaffnet mit Messern und einer Machete, das kleine Geschäftslokal, schlugen alles kurz und klein und raubten Mobiltelefone. Wenige Tage später erfolgten weitere Angriffe mit Böllern und einem Molotowcocktail. Hoher Sachschaden entstand.

Im Zuge der Erhebungen wurde auch jener Moschee-Verein durchsucht, in dem der Vater des als Rädelsführer angeklagten M. als Imam tätig war. Dabei wurden Sturmhauben und andere offenbar bei den Überfällen verwendete Materialien gefunden.

Nicht nur bei dem bereits erwähnten 21-jährigen Tschetschenen, sondern auch bei M. und A. orten Behörden radikale Tendenzen. So erklärte auch die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer, diese beiden Männer würden sich „über Gewalt und eine islamistische Radikalisierung definieren“. Und: „Sie wissen, wie man an Waffen kommt und Sprengsätze baut.“

Urteile am 21. Juni

In einem (sichergestellten) Chat vom Juli des Vorjahres unterhielten sich M. und A. über den Terroranschlag von Wien vom November 2020 mit vier Todesopfern. Sie hoben hervor, was ein (einziger) „Muslim ohne Ausbildung“, nämlich der Attentäter, alleine zustande gebracht hatte und nannten die Polizisten „dreckige Bastarde“. Zudem erwogen sie einen Anschlag auf die Regenbogenparade („Pride“). Die Urteile sollen am 21. Juni gefällt werden.

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