Gastkommentar

Braucht Wien ein Helnwein-Museum?

Wie einen Kropf! Ist die künstlerische Bedeutung von Gottfried Helnwein wirklich so groß, dass ihm die öffentliche Hand ein Museum errichten muss?

Ja, in der Tat, es geht um das als Idee in den Köpfen so mancher Interessenten herumgeisternde Projekt eines Gottfried-Helnwein-Museums in Wien. Der Schrecken war groß, als das publik wurde; vor allem aufseiten derer, die sich auskennen in der Kunst wie in Wien und die der Meinung sind, dass man jetzt besonders aufpassen müsse. Denn nach einer ersten, saloppen Ablehnung durch die zuständige Kulturstadträtin suchten und fanden die Interessenten recht schnell ein Hintertürl, um ihren Interessen Tür und Tor zu öffnen, ein Hintertürl, das ebenfalls öffentliches Engagement und vor allem Geld verspricht, das aber für die Interessenten den Vorteil hat, absolut nichts von der Kunst zu verstehen: nämlich die Wien Holding. Im Klartext: Die an diesem Projekt interessierten Interessenten planen gegen die zuständige Kulturbeauftragten mithilfe einer privatwirtschaftlichen, auf Ertrag ausgerichteten Firma, die sich im Eigentum der Stadt befindet, einen Alleingang. Und das gegen die Expertise praktisch aller dafür fachlich Zuständigen. 

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Jetzt ist das Engagement für ein Museum grundsätzlich nichts Verwerfliches. Auch wenn es vor allem als Geschäftsmodell funktionieren muss, ist nichts dagegen einzuwenden. Wem will man das Geldverdienen verbieten? Wem will man verbieten, mit musealisierter Flachware zu handeln? Hat doch der Käufer dann die vermutete Sicherheit, dass das, was er da erwirbt, durch ein Museum geadelt wurde. Nur – sich dieses Geschäftsmodell durch die öffentliche Hand bezahlen zu lassen? Diese kulturelle Heiligsprechung? Die noch dazu in weiten Teilen der Auskennerlandschaft keine Anerkennung findet? Gottfried Helnwein ist ein brillanter Techniker, der sich mit dem „Profil“-Cover-erprobten Schrecken längst vergangener Zeiten eine Karriere aufgebaut hat und der diesen Schrecken häppchenweise perpetuiert und einer nach Tabubrüchen lüsternen Öffentlichkeit immer wieder serviert. Das hat ihm nicht nur den Ehrentitel Schockmaler eingebracht, sondern darüber hinaus so manchen Musentempel geöffnet – vor allem hierzulande. Aber reicht das für ein öffentliches Museum? Bei allem Respekt: Ist die künstlerische Bedeutung des Werks von Helnwein wirklich so groß, dass ihm die öffentliche Hand ein Museum errichtet? Noch dazu, wenn sich da der Hautgout kommerzieller Interessen nicht und nicht verjagen lässt?

Weder Klimt noch Schiele, Boeckl oder Lassnig haben ein Museum

Hat das die Weltkulturhauptstadt Wien verdient, die Wünsche und kommerziellen Pläne eines cleveren Unternehmers erfüllen zu müssen? Mit unser aller Geld. Um das geht es nämlich. Hier paart sich die Eitelkeit des Künstlers mit der Geschäftstüchtigkeit eines Großsammlers. Und die öffentliche Hand soll mitspielen. Argumentiert wird das Ganze durch ein großes Missverständnis. Dass nämlich hierzulande Kunst und Kultur an der Anzahl der verkauften Tickets gemessen wird, dass bei uns die Zahlmeister regieren, und nicht die Auskenner. 300.000 verkaufte Helnwein-Tickets in der Albertina! Das ist doch was! So wird die Kunst zum Plebiszit. Dass es hier nicht um künstlerische Qualität geht, sondern um Sensation – die gleiche Sensation, mit der seinerzeit die wöchentlichen „Profil“-Ausgaben verkauft wurden –, kümmert niemand.

Also Obacht! In einem Land, wo weder Klimt noch Schiele, weder Kubin noch Kokoschka, weder Boeckl noch Wotruba, weder Hollegha noch Lassnig ein Museum haben, sollte das Thema Helnwein-Museum schnell in der Ablage verschwinden.

Dr. Herbert Giese (* 1950) ist Kunsthistoriker, Kunstvermittler, Kurator und Kunsthändler

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