„Zu traditionell“

„New York Times“ erklärt, wie die Wiener Opernhäuser vor zu viel Tradition gerettet werden

Lotte de Beers Bemühungen zahlen sich aus, schrieb die „New York Times“
Lotte de Beers Bemühungen zahlen sich aus, schrieb die „New York Times“APA / APA / Tobias Steinmaurer
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In einem ausführlichen Bericht widmet sich die renommierte US-Zeitung der „Mission“ von Staatsoperndirektor Bogdan Roščić und Volksoperndirektorin Lotte de Beer.

Der österreichische Opernbetrieb dürfte US-amerikanischen Interessenten als kulturell bedeutendes Gefüge mit langer Tradition bekannt sein; wie dieses genau funktioniert, wissen viele in den USA aber wohl nicht. Dass die großen Kulturtanker hierzulande staatlich finanziert werden, ist dort für einige kaum vorstellbar. Und so beginnt die „New York Times“ ihren ausführlichen Artikel über die beiden Intendanten der zwei großen Wiener Opernhäuser, der am Dienstag online erschienen ist, damit, zunächst einmal quasi eine Kuriosität zu erklären: In Wien ist Kulturarbeit eine „civic duty“, also eine staatsbürgerliche Verpflichtung – eine Arbeit, die auch vor dem Steuerzahler geleistet wird.

Und wie leisten Bogdan Roščić und Lotte de Beer diese Arbeit? Die „New York Times“, die das Wiener Kulturleben recht aufmerksam beobachtet, präsentiert den Direktor der Staatsoper (angetreten 2020) und die Direktorin der Volksoper (angetreten 2022) als Erneuerer des Wiener Opernbetriebs. „When Vienna’s Opera Tradition Got Too Traditional, They Stepped In“ lautet der Titel. Die Mission der beiden Opernmanager: ihre jeweiligen Institutionen zu „entstauben“. Denn: Beide Häuser hätten mittlerweile den Ruf, unter dem Gewicht ihrer Traditionen zu stagnieren. Als Beispiel wird eine Entwicklung angeführt, die in den letzten Jahrzehnten schon eingesetzt habe: An der Staatsoper habe sich das durchschnittliche Alter des Publikums jährlich um ein Jahr erhöht – was nahelegt, dass das Publikum dasselbe bleibe und nur älter werde.

Roščić: „Müssen das Kernrepertoire erneuern“

Jetzt aber erfahre Wiens Opernszene eine schnelle, nötige Entwicklung. Bei Roščić durch viele kleine Schritte, bei de Beer durch ein neues Ethos. Die „New York Times“ schildert einige Stationen der jüngeren Staatsoperngeschichte, von Premieren-Streamings während der Pandemie über die kommende Eröffnung eines Saals im Künstlerhaus für u. a. Kinderopern bis zu den Streitereien rund um den angekündigten Abgang von Philippe Jordan als Musikdirektor. Als nächstes wolle Roščić das Kernrepertoire des Hauses erneuern, wird er zitiert: „That’s the way you shape a house.“

Im Fall der Volksoper fällt die Schilderung der „New York Times“, wie genau die Erneuerung vonstatten geht, weniger konkret aus. Kollaborativ und hinterfragend sei de Beers Linie, zudem seien jetzt mehr Frauen in Führungspositionen. Eine Änderung seien schmerzhaft für bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewesen, einige seien deshalb gegangen, manche würden immer noch Widerstand leisten. De Beer arbeite „sehr hart, um sie mitzunehmen“. Auch Gastkünstler würden nicht eingeladen, wird de Beer zitiert, „wenn sie nicht zur Philosophie passen“. Die Bemühungen könnten sich bezahlt machen: Das Durchschnittsalter des Publikums gehe runter, die Abonnentenzahlen würden steigen.

De Beer hoffe auf eine Verlängerung ihres Vertrags – 2027 beginnt die nächste Periode, die Bewerbungsfrist endete bereits –, wolle aber nicht „zu lang“ im Amt bleiben, wie auch Roščić (dessen Vertrag bis 2030 verlängert wurde), schreibt die „New York Times“. Wenn man erreicht habe, was man sich vorgenommen habe, wird de Beer zitiert, „soll man wahrscheinlich einfach aufhören.“ (kanu)

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