Europawahl 2024

Seefahrerinnen, Männermodels, flüchtige Konzernbosse: So vielfältig ist das neue EU-Parlament

Ahoi Europa! Die deutsche Kapitänin Carola Rackete zieht für die Linke ins EU-Parlament.
Ahoi Europa! Die deutsche Kapitänin Carola Rackete zieht für die Linke ins EU-Parlament. Imago/Ben Kriemann
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Nicht nur alte Hasen sind im neu gewählten Plenum vertreten, sondern auch ungewöhnliche Quereinsteiger.

Dass das Europaparlament für seine Mandatare ein „Willkommensdorf“ organisiert, um die neu gewählten Vertreter des europäischen Volkes mit Infrastruktur und Usancen des Hohen Hauses vertraut zu machen, wird erfahrenen Europaabgeordneten wohl nur ein müdes Lächeln entlocken. Für die Novizen in Brüssel und Straßburg dürfte das Serviceangebot allerdings sehr willkommen sein, denn die Logistik des Europaparlaments ist notorisch komplex und muss – wie das Layout der Parlamentsgebäude – erst einmal erlernt werden.

Wie bei jeder Europawahl sind auch diesmal neben alten Hasen der Europapolitik einige „Exoten“ gewählt worden. Diese Quereinsteiger können im Idealfall den Parlaments­alltag bereichern – große Hoffnung liegt diesbezüglich auf Sybille Berg, die auf der Liste der deutschen Satirepartei Die Partei steht. Doch abseits der gefeierten Schriftstellerin haben auch andere Kommunikationstalente das Rennen gemacht.

Sybille Berg bei einer Generalprobe für die Wiener Festwochen 2024.
Sybille Berg bei einer Generalprobe für die Wiener Festwochen 2024.APA / APA / Max Slovencik

„Ich habe keine Ahnung“

Da wäre beispielsweise der zypriotische Blogger Fidias Panayiotou, der seine zweieinhalb Millionen Follower auf YouTube mit schrägen Belastungsproben unterhält – etwa dem Versuch, 24 Stunden lang begraben zu sein. Der 24-Jährige, der offenherzig zugibt, „keine Ahnung von der Politik“ zu haben, dürfte sein EU-Mandat vermutlich ebenfalls wie eine Social-Media-Herausforderung anlegen. Aus ähnlichem Holz geschnitzt ist Fitnesstrainer und Männermodel Nikos Anadiotis aus Griechenland, der für die ultraorthodoxe Partei Niki (die Namensähnlichkeit ist purer Zufall) reüssiert hat und der als EU-Abgeordneter gegen die „sündhafte“ Homosexualität kämpfen will. Kämpfen will auch der ehemalige Rennfahrer Filip Turek – wobei der Gegner des Tschechen das für 2035 avisierte Verbot der Pkw-Verbrennungsmotoren ist.

Der zypriotische YouTube-Star Fidias Panayiotou hat nach eigenen Angaben noch nie gewählt.
Der zypriotische YouTube-Star Fidias Panayiotou hat nach eigenen Angaben noch nie gewählt. Reuters / Yiannis Kourtoglou

Am anderen Ende der Ernsthaftigkeitsskala befindet sich Carola Rackete, vormals Kapitänin des Rettungsschiffs Sea-Watch 3. Die deutsche Flüchtlings- und Klimaaktivistin, die mit ihrem Einsatz im Mittelmeer für diplomatische Verstimmungen zwischen Berlin und Rom gesorgt hatte und in Italien kurzfristig in den Hausarrest kam, ist eine der zwei Mandatarinnen, die die (durch die Abspaltung von Sahra Wagenknecht dezimierte) Partei Die Linke ins EU-Parlament entsendet.

Die linksradikale italienische Aktivistin Ilaria Salis kommt dank EU-Mandat frei.
Die linksradikale italienische Aktivistin Ilaria Salis kommt dank EU-Mandat frei. Reuters / Marton Monus
Daniel Obajtek, Neo-Europaabgeordneter der polnischen Nationalpopulisten, hat sich vor der Wahl nach Ungarn abgesetzt.
Daniel Obajtek, Neo-Europaabgeordneter der polnischen Nationalpopulisten, hat sich vor der Wahl nach Ungarn abgesetzt. Reuters / Kacper Pempel

Apropos Hausarrest: Für die italienische Neo-Abgeordnete Ilaria Salis ist das EU-Mandat ein Ticket in die Freiheit. Die linksradikale Aktivistin, der in Ungarn eine Haftstrafe wegen tätlichen Angriffs auf (rechtsradikale) Demonstranten droht, genießt nach ihrem Wahlerfolg Immunität und dürfte nun in Budapest freigelassen werden. Ebenfalls in Budapest gesichtet wurde Daniel Obajtek. Gegen den frischgebackenen EU-Mandatar der nationalpopulistischen Ex-Regierungspartei PiS wird in Polen wegen Malversationen während seiner Zeit an der Spitze des staatlichen Ölkonzerns PKN Orlen ermittelt. Von seinem Schutzherren Jarosław Kaczyński mit einem sicheren Platz auf der PiS-Kandidatenliste ausgestattet, setzte sich der 48-Jährige Medienberichten zufolge ins befreundete Ungarn ab, um den Wahlsieg abzuwarten.

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