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Nutzen vor Technologie

Udo Urbantschitsch
Udo Urbantschitsch
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Besser anfangen, als gar keinen Fehler zu machen – das ist ein Rat, den Udo Urbantschitsch, Vice President GEO Technology Sales bei Red Hat, all jenen gibt, die sich noch vor IT-Automatisierungsprojekten scheuen. Aber wer seine Prozesse automatisiert, kann nur gewinnen. Nicht nur Zeit, sondern am Ende auch ein völlig neues Unternehmen.

Ein Grundproblem der Automatisierung ist: Man braucht für die Arbeit weniger Menschen.

Urbantschitsch: Das ist eine Angst, die existiert und daher oft angesprochen wird. Aber das Gegenteil ist der Fall: Am Ende hat noch niemand die Automatisierung bereut. Tatsächlich sitzen immer noch alle an ihrem Platz. Die Automatisierung bringt neue Lebensfreiräume, die man entweder für höherwertige Aufgaben verwenden oder auch in Freizeit umsetzen kann. Stichwort 32 Stunden Woche. Die wird meiner Meinung nach aber keine Firma schaffen, die nicht einen gewissen kulturellen Reifegrad erreicht hat.

Was sind dann die Treiber für die Automatisierung?

Urbantschitsch: Sicher nicht der Mitarbeiterabbau, denn Fachkräfte sind aktuell immer noch Mangelware. Die Firmen suchen händeringend nach ihnen. Und genau aus dem Grund möchten ja viele automatisieren, um die wertvollen Talente des Unternehmens möglichst professionell einsetzen zu können. Eben damit sie keine niederwertigen Tätigkeiten ausführen müssen, sondern sich mit Innovation beschäftigen und damit mehr Business Value generieren können. Ein zweiter Grund ist ganz generell das Thema Sicherheit sowie die Auditierbarkeit. Wer in einem regulierten Unternehmen wie z.B. im Banken- oder Versicherungsbereich tätig ist, muss den Forderungen nach Protokollen, Dokumentationen und überhaupt der Nachvollziehbarkeit von Prozessen nachkommen. Das ist bei der klassischen Manufakturarbeit de facto denkunmöglich. Da hilft Automatisierung extrem. Denn sobald ich etwas automatisiert habe, habe ich es auch dokumentiert. Ein weiterer Grund hat sich aus dem Thema Business-Kontinuität entwickelt. Was mache ich, wenn von heute auf morgen alle meine Mitarbeiter zu Hause sind? Ja, wir haben es schon erlebt und mit Remotework und Co vieles gemeistert. Aber wie kann man gewisse empfindliche Prozesse am Leben halten und auditieren, wenn keiner in der Zentrale auf einen Knopf drückt, damit etwas passiert?

Wo finden sich die einfachsten oder die logischsten Anwendungsgebiete für IT-Automatisierung?

Urbantschitsch: Der erste Anwendungsfall in fast immer in der IT-Abteilung zu finden, wo es um die Bereitstellung von Ressourcen, wie Rechenkapazitäten, Zugänge zu irgendwelchen Plattformen oder die Anlage eines neuen Mitarbeiters geht. Das sind immer die ersten Berührungspunkte, die wir sehen. Also die Frage: Wie kann ich als IT-Abteilung meinen internen Kunden oder internen Stakeholdern die Ressourcenbereitstellung vereinfacht. Das Thema IT-Automatisierung ist aber viel mehr zu einem kulturellen und prozessorientierten Thema geworden. Vielen geht es mittlerweile um die End-to-end-Automatisierung. Wir sprechen daher sehr oft und lange über den Nutzen der Prozesse, bevor wir über die Technologie selbst sprechen.

Wer muss dafür die Initiative ergreifen? Ist das die IT-Abteilung oder die Geschäftsführung?

Urbantschitsch: Ernsthaft durchgesetzt, strategisch gedacht und auf eine richtige Ebene gebracht, kommt die Entscheidung zu 90 Prozent aus der Geschäftsführung heraus. Das ist dann auch das Unterscheidungskriterium zwischen IT-Automatisierung und Business Automatisierung. Aber die Initialzündung, das Interesse für das Thema IT-Automatisierung entsteht tatsächlich in den IT-Abteilungen. Dort geht es allerdings eher darum ein konkretes Problem zu lösen: Sprich ich mache jeden Tag fünfmal das Gleiche und das will ich vereinfachen. Das ist aber kein strategisches Denken. Solange die IT einfach schnöde händische Aktivitäten automatisiert, ist ein Unternehmen kulturell noch nicht in der Automatisierung angekommen. Wenn aber die Geschäftsführung Automatisierung als wichtig ansieht, dann beginnt sich auch der Standard im Unternehmen zu heben. Und dann wird es richtig spannend.

Welche Rolle spielt der Mensch in einem Automatisierungs-Projekt?

Urbantschitsch: Sobald eine Firma wirklich eine End-to-end-Automatisierung anstrebt, also versucht ganze Value Chains zu automatisieren, funktioniert das nur, wenn es Menschen gibt, die die nötigen  intelligenten Anweisungen schreiben und die Qualität vorgeben. Die Automatisierung kann schließlich nur so intelligent agieren, wie ihr es der Mensch sagt. Das bedeutet, man braucht geschultes Personal, das seine Erfahrung und sein spezielles Know-how einbringt. Aber auch die fertigen Automatisierungsprozesse gehören gepflegt. Man darf nicht dem Denkansatz verfallen: Ist einmal etwas automatisiert, dann läuft es auf Autopilot. Das wäre schön. Sehr wohl muss man dieses Werkzeug weiter pflegen. Und diese Pflege bleibt dem Menschen nicht erspart. Das heißt, ich brauche jederzeit Mitarbeiter, die das können.

Kein IT-Interview ohne künstliche Intelligenz: Wie kommt KI bei der Automatisierung ins Spiel?

Urbantschitsch: Die Kombination von Automatisierung und künstliche Intelligenz betrachten wir mit ganz großen Argusaugen. Warum? End-to-end-Automatisierung bedeutet eine Menge Arbeit innerhalb des Unternehmens. Das ist nichts, was man sich kaufen kann. Man kann sich nur die Technologie und die Unterstützung kaufen, aber machen muss man es immer selber. KI ändert das Spiel ein bisschen. Man kann etwa KI-Modelle verwenden, die die aktuelle Infrastruktur des Unternehmens und seine Automatisierungs-Nuggets analysieren und daraus lernen, wie dieses Unternehmen prinzipiell automatisiert. Dann hätten plötzlich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Tool an der Hand, mit dem sie quasi wie bei Chat GPT sagen können: Ich bräuchte bitte eine Automatisierung für XY. Und was dann zurückkommt, ist nicht nur eine generische Anweisung, sondern eine mit der Unternehmens-Nomenklatur. Das hilft uns irrsinnig auch den Marketing-, Vertriebs-, Logistik- und Einkaufsmitarbeiterinnen im Unternehmen ein Tool an die Hand zu geben, mit dem sie ein zu 95 Prozent fertiges Automatisierungswerk erstellen könnten. Und das ist natürlich ein riesengroßer Boost und bringt die Demokratisierung dieser Technologie.

Wo lauern die größten Gefahren bei der Automatisierung? Was kann man so richtig falsch machen?

Urbantschitsch: Gar nicht erst zu beginnen. Viele Kunden haben diese initiale Hemmschwelle, weil sie nichts falsch machen wollen. Etwa anderes, das man falsch machen kann –  das gilt aber auch für viele andere IT-Tools – ist: Man ist nicht bereit seine Kultur anzupassen. Wenn man glaubt, mit dem Kauf eines Automatisierungswerkzeugs wird alles gut, wird man grandios scheitern. Was ich damit sagen will: Ich glaube, dass es ein starkes internes Projektmanagement und wirklich ein Change Management braucht, um Automatisierung auch nur annähernd erfolgreich einsetzen zu können. Man muss die Mitarbeiter wirklich mitnehmen und begeistern. Man muss ihnen den Mehrwert aufzeigen und transparent kommunizieren. Sehr viele Mitarbeiter halten aufgrund von ganz natürlichen Ängsten ihr Know-how zurück. Damit wird man aber nie den Effekt erzielen können, der möglich wäre. Ein weiterer Fehler ist es auch sich zu wenig Hilfe zu holen und vom Know-how sowie dem Scheitern der anderen zu profitieren.

Wo liegen mögliche Schwachstellen in der Technologie?

Urbantschitsch: Eine besondere Grundbedingung der IT-Automatisierung ist, ich muss Systeme einsetzen, die sich automatisieren lassen. Um dafür unser Red-Hat-Kernmantra zu bedienen: Offenheit ist wichtig. Umgemünzt auf welche Technologie auch immer: Wenn der Hersteller sich nicht verpflichtet hat, quelloffene Standards zu entwickeln, Schnittstellen anzubieten, über die man programmatisch gewisse Stellrädchen drehen oder automatisieren kann, stehe ich dort vor verschlossener Tür. Daher raten wir unseren Kunden zu einer unternehmensweiten Policy, dass nichts angeschafft werden darf, was keine automatisierbare Schnittstelle hat.

Werden uns künftige Generationen dankbar dafür sein für das, was wir gerade machen?

Urbantschitsch: Ja, ich glaube, dass sie sehr dankbar sein werden. Ein Großteil unseres Wohlstandes besteht schließlich darin, dass Dinge in der Vergangenheit automatisiert wurden, um die wir uns vorher manuell kümmern mussten. Sehr viele Technologien, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, die in der IT aufgekommen sind, haben viel Automatisierung, Industrialisierung, Standardisierung drin. Das ganze Thema Digitalisierung fußt ja darin, dass man Skalierungseffekt erzeugen will. Und das erreichen wir nicht, wenn jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter alles mit der Hand strickt.

Zur Person

Udo Urbantschitsch, Vice President GEO Technology Sales bei Red Hat, studierte an der WU Wien (Produktions- und Projektmanagement) und an der FH Technikum Wien (Innovationsmanagement).

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