Theater in der Josefstadt

Direktor Föttinger: „Die Josefstadt ist durch mich relativ rot geworden“

„Von wem wird der Theatermacher gespielt?“ Direktor Herbert Föttinger (rechts) mit Stiftungsvorstand Thomas Drozda bei der Jahrespressekonferenz im Theater in der Josefstadt.
„Von wem wird der Theatermacher gespielt?“ Direktor Herbert Föttinger (rechts) mit Stiftungsvorstand Thomas Drozda bei der Jahrespressekonferenz im Theater in der Josefstadt.APA
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Herbert Föttinger stellte seine vorletzte Saison vor, politisierte furios und beklagte, dass die Wiener Kulturstadträtin das Volkstheater begünstige.

„Die FPÖ sind die Brandstifter! Und die Bevölkerung reicht ihr auch noch die Streichhölzer.“ Diese Interpretationshilfe gab Herbert Föttinger zu „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch, das am 10. Oktober in der Josefstadt Premiere hat. Es war nicht sein einziger deutlicher Satz in einer Präsentation, bei der er keinen Zweifel daran ließ, dass es ihm durchaus nicht nur um sein Programm geht. „Die Josefstadt ist durch mich relativ rot geworden“, proklamierte er.

Der Direktor begann – wie schon im März in einem Interview mit der „Presse“ – mit einer langen Analyse der 1930er-Jahre, erwähnte, dass die FPÖ als „rechtsextreme Nachfolgepartei“ 1956 „leider in der Josefstadt“ gegründet wurde und resümierte: „Was die Zukunft Österreichs betrifft, sehe ich dunkel. Manche sagen, wir sollen aufwachen. Ich sage, wir dürfen gar nicht mehr schlafen gehen.“ Eine Anspielung auf „Aufwachen, bevor es wieder finster wird“, einen Slogan eines Ex-Kollegen, Martin Kušej vom Burgtheater, den er allerdings als „großen Dampfplauderer“ sieht. Er selbst sei überzeugt, dass „Theater die Realpolitik nicht ändern kann“, auch dass FPÖ-Wähler durch einen Theaterbesuch nicht „bekehrt“ werden. Doch Theater könne Besucher „in ihrer Haltung stärken“. Insofern sei „Leben und Sterben in Wien“ über das Ende der Ersten Republik das wichtigste Stück im Programm.

Dieses Historiendrama von Thomas Arzt war das letzte Stück, das Föttinger selbst inszeniert hat. Seit 2006 ist er Direktor, bis 2026 wird er das Theater leiten. Mit Feuer, ja: Furor geht er in seine vorletzte Saison. Über seine Vorgänger fand er dabei nicht nur gnädige Worte: Helmuth Lohner sei „eher ein Traummännlein“ gewesen, die Bestellung Hans Gratzers „eine Panne“ einer Kulturpolitik, die „wie Mafiabosse aus Sizilien“ agiert habe.

Volkstheater-Video: „Unterirdisch“

„Wer hier antritt, kann sich auf die Schulter der Riesen setzen, die dieses Haus geführt haben“, sagte der neben Föttinger sitzende Stiftungsvorstand Thomas Drozda. Tatsächlich ist die Josefstadt seit vielen Jahren eine Erfolgsgeschichte: Sie hat einen Eigendeckungsgrad von 25 Prozent (zum Vergleich: Burgtheater 21 %, Staatsoper 43 %), es hat (inklusive Kammerspiele) derzeit 83,5 Prozent Auslastung und bisher in der laufenden Saison 215.000 Besucher angelockt. Mehr als doppelt so viele wie im Volkstheater, das ähnlich mit Subventionen dotiert ist. Das sei „eine absolute Frechheit“, wütete Föttinger. Es sei unfair, dass die Wiener Kulturstadträtin, Veronica Kaup-Hasler, das Volkstheater so bevorzuge. Auch dessen (tatsächlich skandalöses) Werbevideo, das einen unbotmäßigen Kritiker namens Tom Trinkler (offenbar gemeint: Thomas Trenkler vom „Kurier“) als Killer und „Ratte“ darstellt, verurteilte Föttinger scharf als „unterirdisch“.

Sehr deutlich wurde der Direktor auch bei der Verkündung seiner politischen Wunschszenarien: „Kickl remigriert nach Kärnten. Doskozil verlässt kommentarlos die SPÖ. Nehammer wechselt vom Ballhausplatz zum Exerzierplatz.“ Und, auf Nachfrage: „Ich plädiere hier für Herrn Babler als Bundeskanzler.“

„Nachtland“ über ein Bild von Hitler

Und das Programm 2024/25? Besonders wichtig sind Föttinger, neben „Biedermann und die Brandstifter“ (Hauptrolle: Johannes Krisch): ein neues Stück von Lisa Wentz über Missbrauchsfälle im katholischen Internat, „Das Vermächtnis“ von Matthew López über das Leben homosexueller Männer, „Nachtland“ von Marius von Mayenburg über ein von Hitler gemaltes Bild und „Sie sagt. Er sagt“, ein Gerichtsdrama von Ferdinand von Schirach.

Dazu kommt eine Reihe von Stücken, die man einst eher als „typisch Josefstadt“ bezeichnet hätte: Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“, Tschechows „Onkel Wanja“, „Sonny Boys“ von Neil Simon, Schnitzlers „Das weite Land“. Sogar ein Weihnachtsmärchen nach Charles Dickens. Eine Inszenierung von Claus Peymann in den Kammerspielen muss verschoben werden, da dieser erkrankt und in Berlin auf Reha ist. Alexandra Liedtke springt mit „Die Affäre Rue de Lourcine“ ein.

Matthias Hartmann kommt zurück

Das wird also Föttingers vorletzte Saison. Doch da er schon so im Reden war, nahm er abschließend gegen jedes dramaturgische Prinzip gleich Höhepunkte seiner letzten Saison vor­weg: Andrea Breth inszeniert ein Stück über Brunhilde Pomsel, die Sekretärin von Joseph Goebbels. Auch Matthias Hartmann kommt zurück und inszeniert Bernhards „Theatermacher“. „Von wem wird der Theatermacher gespielt?“ rief Föttinger mit Stentorstimme: „Sie werden es nicht erraten!“ Wir haben es wohl erraten.

Es ist anzunehmen, dass Föttinger danach nicht nach Utzbach geht. Doch als Direktor wolle er „tatsächlich aufhören“, betonte er. Die Findungskommission für seine Nachfolge tagt. Ende Juni soll das Ergebnis stehen.

»Kickl remigriert nach Kärnten. Nehammer wechselt vom Ballhausplatz zum Exerzierplatz.«

Theatermacher Herbert Föttinger über seine politischen Wunschvorstellungen.

Premieren

„Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ von Ferdinand Raimund, Theater in der Josefstadt, 4. September.

„Sie sagt. Er sagt.“ von Ferdinand von Schirach, Kammerspiele der Josefstadt, 7. Oktober

„Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch, TJ, 10. Oktober.

„Nachtland“ von Marius von Mayenburg, KS, 24. Oktober.

„Onkel Wanja“ von Anton Tschechow, TJ, 14. November.

„Miss Scrooge – ein Weihnachtsmärchen“ von Werner Sobotka und Niklas Doddo nach Charles Dickens, KS, 16. November

„Sonny Boys“ von Neil Simon, TJ, 19. Dezember

„Azur oder die Farbe des Wassers“ von Lisa Wentz, TJ, 30. Jänner

„Von Mäusen und Menschen“ von John Steinbeck, KS, 6. März

„Das Vermächtnis“ von Matthew López, TJ, 15. März.

„Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ nach Thomas Mann, KS, 15. Mai.

„Das weite Land“ von Arthur Schnitzler, TJ, 22. Mai.

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