Lohnrunden

Streik in der chemischen Industrie

Am 17. Juni verhandeln die Vertreter in der Chemieindustrie weiter um einen neuen KV.
Am 17. Juni verhandeln die Vertreter in der Chemieindustrie weiter um einen neuen KV.Picturedesk
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Die Verhandlungen um einen neuen Chemie-KV ziehen sich in die Länge. Diese Woche legt die Belegschaft die Arbeit nieder.

Wien. Hunderte Streikende standen mit Schirmen vor den Toren bei Novartis in Schaftenau (Tirol) am Mittwochvormittag. Ein Bild, das sich in der österreichischen Chemieindustrie schon lange nicht mehr gezeigt hat. Das Tauziehen rund um den Kollektivvertrag (KV) in der Branche zieht sich in die Länge. Auch nach der sechsten Verhandlungsrunde am vergangenen Donnerstag konnten sich Arbeitgeber und -nehmer nicht auf einen neuen KV für die Chemieindustrie einigen.

Viele Verhandlungsrunden

Seither finden Warnstreiks an unterschiedlichen Tagen in verschiedenen Unternehmen in ganz Österreich statt. Den Auftakt machten laut Gewerkschaft 600 Beschäftigte des in Wien ansässigen Pharmakonzern Boehringer Ingelheim. Hunderte Mitarbeiter streikten am Dienstag beim börsennotierte Faserhersteller Lenzing in Oberösterreich. Gleichzeitig legten auch Hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den drei großen Tiroler Chemiebetrieben Sandoz, Novartis und Veolia ihre Arbeit nieder.

Keine 20 Kilometer entfernt streikten rund 500 Novartis-Beschäftigte vor dem Unternehmen Novartis in Schaftenau. Auch beim Pharmaunternehmen Kwizda in Wien haben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Streik zusammengefunden, so ein GPA-Sprecher gegenüber der „Presse“. Heute, am Donnerstag, planen die Mitarbeiter der Lat Nitrogen in Linz ihre Arbeit niederzulegen, und mit etwa 300 Streikenden rechnet die Gewerkschaft bei Octapharma am Rande von Wien, heißt es.

So viele Verhandlungsrunden hat es für eine Einigung seit über 20 Jahren nicht mehr gegeben. Bloß einmal habe es 2003 sieben Runden im Zuge der großen Pensionsreform 2003 gebraucht, heißt es bei der GPA. Die Vertreter der metalltechnischen Industrie haben vergangenen Herbst acht Runden gebraucht, um sich auf ein Lohn- und Gehaltsplus zu einigen. Was die beiden Branchen eint, im Vergleich zu anderen in der Industrie: Die Rezession trifft die beiden Branchen gleichermaßen schwer, und die hohen Energiekosten üben enormen Kostendruck auf die Produktion aus.

Branche derzeit unter Druck

Die derzeit angespannte Situation in der Branche kennt der gewerkschaftliche Chefverhandler, Alfred Artmäuer (PRO-GE). Etwa meldete der oberösterreichische Faserhersteller Lenzing zuletzt einen Verlust von 26,9 Mio. Euro im ersten Quartal. Der Konzern kämpft derzeit mit niedrigen Faserpreisen und den weiterhin hohen Kosten für Energie und Rohstoffe.

Nun pocht die Arbeitnehmerseite – Gewerkschaften PRO-GE und GPA – lautstark mit Warnstreiks auf ein Lohn- und Gehaltsplus für die rund 50.000 Beschäftigten in der Branche. Gefordert ist ein Lohn- und Gehaltsplus in Höhe der rollierenden Inflation von 6,33 Prozent und für Gutverdiener auf eine gedeckelte Zahlung. Ein Reallohnplus sei nicht gefordert, sagte er bereits zu Beginn dieser Woche im ORF-Radio. Dennoch droht er mit unbefristeten Streiks, wenn es beim kommenden Verhandlungstermin in der nächsten Woche nicht zu einer Einigung kommt.

Arbeitgeber-Chefverhandler Berthold Stöger vom Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO) appelliert in einer Aussendung an die Gegenseite: „Weitere Kostennachteile im internationalen Wettbewerb befeuern die Deindustrialisierung, also die Abwanderung produzierender Betriebe aus Österreich. Und wer einmal weg ist, kommt in der Regel nicht mehr zurück.“ Gleichzeitig verbreitete er zuletzt auch gute Stimmung: Aus seiner Sicht war man sich mit der Gewerkschaft bei den Verhandlungen „schon sehr nahe“. Die nächste und siebente Verhandlung ist kommenden Montag, am 17. Juni geplant. (klug)

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