Porträt

Ralf Rangnick: Endlich genießt der Professor die Liebe

APA
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Ralf Rangnick machte Österreich zum Geheimfavoriten, sagte dafür sogar den Bayern ab. Warum passt der Deutsche so gut zum ÖFB-Team?

Berlin. Ralf Rangnick ließ seinen Spielern den Vortritt. Dann nahm auch er sich Zeit für die vielen Fans. In Berlin schrieb der ÖFB-Teamchef nach dem öffentlichen Training seiner Nationalmannschaft in Sichtweite des Olympiastadions fleißig Autogramme und posierte lächelnd für Fotos.

Bei seinem ersten großen Turnier als Nationaltrainer, noch dazu in seiner Heimat, bekommt er mehr Liebe als vielleicht je zuvor. „Ich bin auf unvergleichliche Weise angekommen, als Trainer und als Mensch“, sagte Rangnick, mit 65 Jahren der ältester Chefcoach der EM, der „Zeit“. „An Respekt und Wertschätzung hat es bei keiner meiner Stationen gemangelt. Dass hier jetzt oft das Wort Liebe fällt, ist jedoch sicherlich kein Zufall.“ 

Am Montag (21 Uhr, live, Servus TV, ARD) startet das ÖFB-Team in Düsseldorf gegen Vizeweltmeister Frankreich in das Turnier. Es folgen in Berlin die Gruppenspiele gegen Polen und die Niederlande. Um sich dieser Herzensangelegenheit voll und ganz widmen zu können, hat Rangnick sogar dem FC Bayern München abgesagt. „Wir haben hier in Österreich zwei Jahre investiert, um da hinzukommen, wo wir jetzt sind. Das wollte ich nicht gefährden“, sagte er dem „Kicker“. 

Und auch nicht durch den Versuch, beides zu machen, seine Gesundheit riskieren. „Ich weiß, wie es ist, wenn man über seine Kräfte geht. Das wollte ich unter keinen Umständen nochmals erleben“, sagt der Trainer mit Blick auf sein Burn-out, das ihn 2011 zum Abgang bei Schalke zwang. Trotzdem sei die Absage an den deutschen Rekordmeister eine seiner „schwierigsten beruflichen Entscheidungen“ gewesen.

» Ich bin auf unvergleichliche Weise angekommen, als Trainer und als Mensch.«

Ralf Rangnick,

ÖFB-Teamchef

Dass er in Deutschland lang kritisch beäugt wurde, habe gelegentlich geschmerzt, räumt Rangnick ein. Dass er 1998 im ZDF-„Sportstudio“ Viererkette und Pressing erklärte, brachte ihm den Ruf als Professor ein. Seine Arbeit für die finanzstarken und umstrittenen Projekte von SAP-Gründer Dietmar Hopp in Hoffenheim und Red Bull in Leipzig brachte ihm unter Traditionalisten keine Freunde.

Das ändert aber nichts daran, dass Rangnick ein großer Modernisierer und Entwickler ist. Er prägte den Stil aller Red-Bull-Teams, den nun auch das ÖFB-Team pflegt: aggressives Pressing, ohne Umwege in Richtung Tor. Das passt auch deswegen gut zum Nationalteam, weil viele Spieler diese Ideen schon aus Salzburg und Leipzig kennen. „Man merkt einfach, dass es zwischen Mannschaft und Trainerteam perfekt passt“, sagt Bayern-Legionär Konrad Laimer.

So kommt Österreich mit viel Rückenwind nach Deutschland. Was das Team besonders stark macht? „Die absolute Bereitschaft, sich im Sinne der Mannschaft einzubringen und sich nicht so wichtig zu nehmen – man kann es als Familie beschreiben“, sagt Rangnick.

Rot-weiß-rote Hürden

Doch auch das Verletzungspech ist groß. Mit Kapitän David Alaba, als Unterstützer von der Bank dabei, Xaver Schlager, Saša Kalajdžić und Tormann Alexander Schlager fehlt eine ganze Achse. Und mit Frankreich, den Niederlanden und Polen wurde die wohl schwerste Gruppe erwischt. Aber auch die Gruppengegner haben Ausfälle zu beklagen. „Ja, es ist sehr unwahrscheinlich, dass Österreich Europameister wird. Aber völlig ausgeschlossen ist es nicht“, erklärte Rangnick. (joe)

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