Wort der Woche

Schwarz, weich und unersetzlich

Die Nachfrage nach Grafit wächst derzeit exponentiell. Eine globale Knappheit ist zwar nicht zu befürchten, aber die Konzentration auf einige wenige Lieferantenländer – insbesondere China – macht Sorgen.

Der Ersatz fossiler Ressourcen durch erneuerbare Energieträger ist untrennbar mit dem Einsatz neuer Technologiematerialien – wie etwas Kobalt, Lithium, Nickel oder Seltene Erden – in Batterien, Windrädern, Solaranlagen etc. verbunden. Diese Elemente werden typischerweise nur in wenigen Ländern der Erde produziert. Die EU hat eine Liste von 34 kritischen bzw. strategischen Rohstoffen mit hohem Risiko von Lieferunterbrechungen definiert, von A wie Antimon bis W wie Wolfram. Darin finden sich auch „unspektakuläre“ Materialien, die man dort nicht vermuten würde, z. B. Silizium, Kupfer oder auch Grafit. Diese natürlich vorkommende Erscheinungsform von Kohlenstoff ist aus den Überresten früherer Lebewesen durch extrem hohe Temperaturen und Drücke in den Tiefen der Erdkruste entstanden und hat hochinteressante mechanische und elektrische Eigenschaften.

Schon in prähistorischer Zeit nutzten die Menschen dieses schwarze, weiche Mineral, etwa zur Verbesserung der Eigenschaften von Tongefäßen, für Gussformen oder als Färbe- und Schreibmaterial (der Name stammt von altgriechischen „graphein“, schreiben). Seit der industriellen Revolution sind unzählige technische Anwendungen dazugekommen – u. a. als Legierungselement von Gusseisen, für Wannen bei der Aluminiumherstellung und Kohlebürsten in Elektromotoren, als Festschmierstoff oder Moderator in Atomreaktoren.

Derzeit wächst der Grafitbedarf exponentiell. Dies ist einerseits auf den Einsatz als Elektroden in Elektrolichtbogenöfen (als Ersatz für die herkömmliche CO2-intensive Stahlproduktion) zurückzuführen, und andererseits auf die Verwendung als Anodenmaterial in heutigen Lithium-Ionen-Batterien. Ein Elektroauto z. B. enthält rund 50 Kilo Grafit, ein Smartphone fünf bis zehn Gramm.

Bis in die 1960er-Jahre war Österreich nach Korea der weltweit zweitwichtigste Grafit-Lieferant – mit dem größten Bergwerk in Kaiserberg bei St. Stefan ob Leoben (das weiterhin aktiv ist). Heute ist das völlig anders: Laut dem jüngst veröffentlichten „Global Critical Minerals Outlook 2024“ der Internationalen Energieagentur (IEA) ist der mit großem Abstand wichtigste Grafit-Produzent China, einiges kommt auch aus Mozambique und Madagaskar. Bei hochreinem Grafit, das für Batterien erforderlich ist, stammen sogar weit über 90 Prozent aus China. „Bei Grafit gibt es zwar keine Probleme mit der Liefermenge, aber die Marktkonzentration ist so problematisch wie bei kaum einem anderen Material“, so die IEA. Wie brisant das Thema ist, zeigt die Tatsache, dass China erst im Dezember 2023 Exportbeschränkungen erlassen hat.  

Alternativen sind rar: Zwar kann Grafit auch synthetisch hergestellt werden, doch dies erfordert fossile Rohstoffe und sehr viel Energie (nötig sind Temperaturen von 3000 Grad!), und auch die Qualität ist eher niedrig. In Zukunft wichtiger wird sicherlich das (technologisch sehr herausfordernde) Recycling – aber auch die Wiederverwertung kann die stark wachsende Nachfrage nur zu einem kleinen Teil abdecken.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist nun Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com
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