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AHF-Schladming 2024

Vertrauen in (Sekundär-)Daten und ihre Nutzung

In Tischgesprächen arbeiteten die Workshop-Teilnehmer:innen die Vorteile einer effizienten Nutzung von Sekundärdaten heraus.
In Tischgesprächen arbeiteten die Workshop-Teilnehmer:innen die Vorteile einer effizienten Nutzung von Sekundärdaten heraus. Ben Kaulfus
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Workshop. Die ethisch verantwortungsvolle Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten kann laut Expert:innen wesentliche Fortschritte in Forschung, Industrie, Patient:innenversorgung und Systemsteuerung ermöglichen.

Zu den zentralen Aspekten im Rahmen der Gesundheitsreform zählt die Digitalisierung. Rund um die Entwicklung der österreichischen E-Health-Strategie geht es einerseits um effiziente digitale Instrumente für die Planung und Umsetzung von Maßnahmen im Falle einer zukünftigen Pandemie. Andererseits steht die Etablierung eines datenschutzkonformen Zugangs zu anonymisierten und pseudonymisierten Gesundheitsdaten für die gesundheitspolitische Forschung und Systemsteuerung im Fokus, nicht zuletzt im Hinblick auf die Umsetzung des European Health Data Space.

Verfügbarkeit & Qualität

Eine große Bedeutung kommt bei alldem der Nutzung von Sekundärdaten zu. In Abgrenzung zu jenen Informationen, die direkt von Patient:innen stammen (sogenannte Primärdaten), werden darunter beispielsweise Abrechnungsdaten, Zusammenfassungen von Patient:innendaten, statistische Analysen oder Berichte über bestimmte Gesundheitsmuster verstanden, die auch in der Gesundheitspolitik genutzt werden. Die Problematik: Während Primärdaten über ELGA, die telefonische Gesundheitsberatung „1450“, den E-Impfpass sowie Portale der Sozialversicherungen zur Verfügung stehen, sind Sekundärdaten zwar vorhanden, aber meist nicht verknüpfbar und von geringer Datenqualität.

Mehrwert für Gesellschaft

Beim AHF-Schladming moderierten Anja Laschkolnig und Alexander Degelsegger-Márquez (beide Gesundheit Österreich GmbH) einen Workshop, bei dem an innovativen Lösungen zum Thema der Sekundärdatennutzung gearbeitet wurde. Für inhaltlichen Input sorgte eine Reihe von Impulsreferaten.

Keynote-Speakerin Katharina Paul, Assistenzprofessorin am Institut für Politikwissenschaft und der Forschungsplattform Governance of Digital Practices (DigiGov) der Universität Wien, thematisierte die Datenpolitik aus sozialwissenschaftlicher Perspektive, referierte über den Datenmarkt in Österreich und regte zu einer Diskussion darüber an, wie durch Sekundärdatennutzung Wert für die verschiedenen Stakeholder des Gesundheitswesens entstehen kann. Maria Kletečka-Pulker, Direktorin des Ludwig Boltzmann Instituts Digital Health and Patient Safety, brachte die Notwendigkeit eines rechtlichen Rahmens für die Sekundär­datennutzung ins Spiel, um bei den Patient:innen Vertrauen zu schaffen.

Stefan Konrad, Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, betonte Potenziale und Vorteile der Datennutzung für Ärzt:innen und wies zugleich auf die Herausforderung der anfänglichen Mehraufwendungen bei der Datendokumentation hin. Regina Fuchs, Leitung Direktion Bevölkerung bei der Statistik Österreich, zeigte sich überzeugt, dass die Sekundärdatennutzung den Forschungsstandort stärkt und der Datenzugang für Forscher:innen aus allen Bereichen ermöglicht werden sollte.

Wissenspool nutzen

Veronika Mikl, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Pharmazeutische Medizin (GPMed) und Innovation Hub Lead bei Roche Austria GmbH, äußerte aus Sicht der Industrie den Wunsch, die bereits geschaffenen Rahmenbedingungen in Österreich mit allen Beteiligten zügig weiterzuentwickeln, um Forschung gemeinsam auf den Boden bringen und so Mehrwert für die Gesellschaft schaffen zu können.

Sabine Röhrenbacher, Geschäftsführerin des Bundesverbands Selbsthilfe Österreich (BVSHOE), strich die hohe Bereitschaft von Patient:innen hervor, ihre Daten zur Verfügung zu stellen und zu teilen, und appellierte daran, Selbsthilfeorganisationen als Wissenspool zu nutzen.

Clemens Martin Auer, Präsident des European Health Forum Gastein, sprach die Rolle des Staates an, der Regeln vorgeben muss, wenn Daten allen zur Verfügung stehen sollen, und thematisierte die Notwendigkeit eines demokratiepolitischen Paradigmenwechsels, im Sinne eines Rechts der Bevölkerung darauf, Daten zu verwenden.

Evidente Vorteile

In kleinen Workshopgruppen wurden vor allem die Vorteile einer rechtlich geregelten, ethisch vertretbaren und für alle Beteiligten effizienten Sekundärdatennutzung herausgearbeitet. So könnten strategische Fragen zur Ressourcenverteilung und zur Effizienz von Gesundheitssystemen auf Grundlage umfangreicher Datenanalysen besser adressiert werden. Die Evaluierung von Gesundheitsprogrammen und -politiken könnte durch die Nutzung vorhandener Daten effizienter und kostengünstiger durchgeführt werden.

In der Forschung wäre eine verbesserte Sekundärnutzung dafür geeignet, detailliertere Erkenntnisse über Krankheitsverläufe und -prävalenzen zu gewinnen, um maßgeschneiderte Behandlungen zu entwickeln. Auch die Untersuchung von seltenen Krankheiten könnte durch Sekundärnutzung vereinfacht werden und Österreich als Forschungsstandort stärken.

Aus Patient:innenperspektive bietet sich die Datnenutzung an, um über verschiedene Regionen und Bevölkerungsgruppen hinweg Analysen vorzunehmen, die eine bessere Patient:innenversorgung ermöglichen. Patient:innen sollten dabei aktiv in die Entscheidungen über die Nutzung ihrer Daten einbezogen werden und Opt-out-Möglichkeiten bekommen. Entlang des neuen European Health Data Space wird auch das Sammeln und Nutzen von Daten im Einklang mit der DSGVO geregelt. Dabei ist laut Expert:innen eine klare und transparente Datensammlung (öffentlich wie auch privat) im Gesundheitswesen essenziell, um sowohl den Schutz der Privatsphäre der Patient:innen als auch die Qualität der Versorgung zu gewährleisten.

Für die Industrie wäre eine effiziente Sekundärdatennutzung ebenfalls von mannigfaltigem Nutzen. Auf deren Basis können zum Beispiel klinische Studien rascher auf- und umgesetzt werden, damit innovative diagnostische Tests, Untersuchungen oder Behandlungen entwickelt und/oder bestehende Lösungen weiter verbessert und noch sicherer gemacht werden können.

Veronika Mikl (Roche & GPMed) fasst das so zusammen: „Wenn wir künftig lokale Forschungs-, Planungs-, Versorgungs- oder Steuerungsfragen mit lokaler Evidenz beantworten wollen, müssen wir lokale Gesundheitsdaten einfach besser nutzbar machen. Das kann nur gemeinsam gelingen.“

Optimistisches Fazit

Die Teilnehmer:innen des Workshops stimmten abschließend darüber ein, dass die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten erhebliche Vorteile auf allen Ebenen des Gesundheitssystems bietet. Der interaktive Prozess im Rahmen des AHF-Schladming hat damit bestätigt, dass die ethisch verantwortungsvolle Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten wesentliche Fortschritte in Forschung, Industrie, Patient:innenversorgung und Systemsteuerung ermöglicht. Die Expert:innen zeigten sich insgesamt optimistisch hinsichtlich der zukünftigen Möglichkeiten dieser Entwicklungen.

www.austrianhealthforum.at


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