Haute Joaillerie

Ein Edelstein-Zoo in den Prachtbauten Wiens

Das Haute-Joaillerie-Defilee von Cartier in Wien.
Das Haute-Joaillerie-Defilee von Cartier in Wien.Pierre Mouton
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Den Charakter edler Steine auf die Tierwelt übertragen: So lautete die Mission der zuletzt in Wien gezeigten Cartier-Schmuckkreationen namens „Nature Sauvage“ – ein Gespräch mit Kreativdirektorin Jacqueline Karachi.

Es sei tatsächlich, räumt Jacqueline Karachi an einem Teetischchen im Kursalon ein, ihr erster Besuch in Wien. Ein wenig beschämt fügt sie hinzu: „Da fliegt man so oft ans andere Ende der Welt und weiß gar nicht, dass es so nahe so viel an Grandiosität zu bestaunen gibt.“ Am anderen Ende der Welt, zwischen Hongkong und Tucson in der Wüste Arizonas, findet sie allerdings auf Fachmessen einzigartige Edelsteine, was für ihren Beruf unerlässlich ist.

Als Designverantwortliche für die Haute-Joaillerie-Kollektionen von Cartier ist Karachi nach Wien gekommen, weil die Stadt mit ihren Museen, der Tradition des Kunsthandwerks, ihrer Hochkultur-Affinität für die Präsentation der diesjährigen Unikate ausgewählt worden war. Freunden des Hauses wie Elle Fanning und Sofia Coppola sowie natürlich der „extraordinarily important“ Klientel aus aller Welt wurde eine Essenz des Wienerischen geboten: Sängerknaben trällerten im Kunsthistorischen, Jungdamen und -herren tanzten im MAK Walzer, dazwischen flattern bestickte Servietten von der Schwäbischen Jungfrau.

Der Tenor ist dann bei all diesen Galaveranstaltungen immer derselbe gewesen: Man sei überrascht, geradezu überwältigt von so viel Pracht. Wenn sich daraus Rückschlüsse ableiten lassen, so könnte die Stadt künftig öfter vergleichbare Luxusveranstaltungen anziehen (Ende letzten Jahres hatte übrigens Miu Miu gemeinsam mit dem Onlinehändler Mytheresa ins Obere Belvedere eingeladen, auch das sorgte für großes Ah und Oh). Allerdings möchten Marken der Topliga immer auch an neue Orte entführen. Nach dem Marathon, den Cartier zuletzt hingelegt und dabei eine Vielzahl an Orten bespielt hat, ist zumindest das fürs Erste eher schwierig geworden.

Auch die Wiener Sängerknaben kamen im KHM zum Einsatz.
Auch die Wiener Sängerknaben kamen im KHM zum Einsatz. Pierre Mouton

Animalisches und „Anima“

Aber zurück zu Jacqueline Karachi und damit dem Hauptgrund der Cartier-Anwesenheit in Wien – einer 100 Stück umfassenden Kollektion mit dem Leitmotiv einer „Nature sauvage“, einer besonders wilden Natur also. Sind die Tiere, die hier in Szene gesetzt werden – Schildkröte, Flamingo, Skarabäus, Schlange, Zebra und natürlich immer wieder das Cartier-Maskottchen Panther –, aber wirklich so ungezähmt? „Ich würde nicht sagen, dass diese Natur wilder ist als die echte“, beschreibt Karachi das Grundthema. „Wir wollten mit dieser Kollektion überraschen, mit unerwarteten Zusammenstellungen Aufmerksamkeit erregen. Dazu einladen, einen neuen Blick auf die Tierwelt von Cartier zu werfen, und dabei die Modernität betonen, ungewöhnliche Assoziationen hervor­rufen.“

Livrierte Cartier-Pagen empfingen die Ehrengäste im KHM.
Livrierte Cartier-Pagen empfingen die Ehrengäste im KHM.Pierre Mouton

Das Designteam, mit dem Jacqueline Karachi arbeitet, habe sich da und dort ein wenig amüsiert, etwa mit Camouflage-Effekten: Wenn ein Tier, das die Hauptrolle spielt, sich im Herzen einer Kreation versteckt. Ein Diamantring mit Steinen außergewöhnlicher Größe und Reinheit zitiert den Rückenpanzer eines Krokodils, eine Wasserschildkröte taucht am Ende eines Colliers auf (oder ab, je nachdem). Ein Flamingo darf aus der Mitte eines Halsgeschmeides seine zarten Beine ins kühlende Nass eines Aquamarins hinabstrecken.

Einzigartige Steine aus der ganzen Welt

Was bei der Haute Joaillerie so gut wie immer der Fall ist und für den Unikatcharakter bürgt: Im Zentrum steht ein Edelstein von außergewöhnlicher Qualität, der Ausgangspunkt der kreativen Arbeit ist. Dazu kommen unzählige, manchmal Tausende Stunden Handwerkskunst, Tüfteleien mit 3-D-Wachsmodellen, Erfahrung mit dem Schleifen von Edelsteinen. „Die Designer konstruieren um den von ihnen ausgewählten Edelstein ein Bühnenbild, eine passende Inszenierung und eine Geschichte. Das ist also immer auch ein sehr persönlicher Zugang“, erklärt Jacqueline Karachi.

Der Panther kommt als Cartier-Maskottchen unermüdlich zum Einsatz.
Der Panther kommt als Cartier-Maskottchen unermüdlich zum Einsatz.Pierre Mouton

Um der „Nature sauvage“-Linie Zusammenhalt zu verleihen, überlegte man sich dann gemeinsam, wie die Steine mit bestimmten Tieren in Zusammenhang gebracht werden könnten. „Mir gefällt das lateinische Wort ,anima‘ so gut, weil diese Seele sich auch in ,animal‘ wiederfindet“, sagt die Chefdesignerin. „Das haben wir in unserem Arbeitsprozess aufgegriffen. Am Anfang stand die Analyse der Persönlichkeit eines Steins, dann haben wir uns gefragt, welche Tier-Anima am ehesten damit in Verbindung steht. Das konnte auf sehr wörtliche Weise stattfinden, aber auch durchaus traumhaft, onirisch sein.“ Tarnen und Täuschen, das habe es auch gegeben, Doppeldeutigkeiten und Hybride, oder eben ein Verschmelzen von Formen aus der Tierwelt mit strengen Geometrien, etwa ein Schlangenduo, das sich um eine Art-déco-Architektur windet.

Ein Panther im Eis

Eines der Stücke, das Jacqueline Karachi besonders hervorhebt, ist ein großflächig und doch flexibel gearbeitetes Collier. Die Hauptrolle spielt ein Eispanther, wörtlich für „Panthère des glaces“, der, drei­dimensional erhaben, über ein brüchiges Eisfeld schreitet. „Das ist wie eine Momentaufnahme aus dem Leben eines Tiers, ein gestohlener Augenblick. Gerade, als das Eis unter dem Gewicht des Panthers bricht, und wir wissen nicht, wie es weitergeht, denn wir sehen nur diesen einen Augenblick“, sagt Karachi. Der Überraschungseffekt erstreckt sich hier auch auf die Kombination der Materialien: Die weißen Diamanten sind auf Bergkristall gebettet, der an der Außenseite nur roh poliert ist, was ihm Opazität verleiht und damit die Ästhetik von Frost, rohen Eisschollen aufgreift – gerade, als eine Lawine ins Rollen kommt.

Jacqueline Karachi wacht über die Entwürfe der Haute Joaillerie.
Jacqueline Karachi wacht über die Entwürfe der Haute Joaillerie. Cartier

Welche Geschichten hier auch immer mitschwingen, das entscheidende Bruchstück fehlt noch – nämlich das Bild, das in den Köpfen der Kundinnen und Kunden am Ende entsteht. „Natürlich spielt das die wichtigste Rolle“, sagt Jacqueline Karachi, die ihre Klientel nach vielen Jahren gut kennt. „Vielleicht will diese Person ja auch eine Botschaft versenden, die einen Rückschluss auf die eigene Persönlichkeit zulassen soll.“ Zwischen Schlangen in der Hochhausflucht, planschenden Flamingos und einer Raubkatze im Eis gibt es da jedenfalls eine beachtliche Vielfalt. Und eines ist gewiss: All diese Persönlichkeiten haben sich unlängst in Wiener Prachtbauten eingefunden.

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