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„Wie könnte man Österreich in die Zukunft führen?“

Friedrich Santner: „Gelöst werden Probleme in der Regel durch Forschung und technologische Entwicklung.“
Friedrich Santner: „Gelöst werden Probleme in der Regel durch Forschung und technologische Entwicklung.“Anke Barnard
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Kommentar. Friedrich Santners Gedanken zu Bildung, Arbeitsmarkt, Sozialpartnerschaft und technologischer Entwicklung.

Vor wenigen Tagen besuchte mich ein Nationalratsabgeordneter. Unsere Unterhaltung war eine Ideensammlung vor der Wahl. Er ist einer der wenigen Unternehmer im Parlament. Unsere Diskussion zeigte viel Übereinstimmung bei wesentlichen Themen, insbesondere bei der Frage: „Wie könnte man Österreich in eine gute Zukunft führen?“

Schule als Expertenthema

Die Bildung als Multiplikator für die meisten Lebensbereiche stand ganz oben auf der Agenda. Die Lebenserwartung steigt, aber die Dauer der Grundausbildung bis zum 15. Lebensjahr hat sich nicht angepasst. Eine Leistungsbilanz des Polytechnikums würde rasch zur Abschaffung dieses Schuljahres führen. Warum nicht eine echte mittlere Reife verpflichtend einführen und die Schulpflicht um ein Jahr verlängern?

Diese beiden Jahre könnten vor allem für Bildung in den Bereichen soziales Wertesystem, Wirtschaft, Digitalisierung und Financial Literacy genutzt werden. Es wäre interessant, dieses Schulthema von echten Bildungsexpertinnen und -experten gelöst zu sehen − und damit meine ich nicht alle Mandatarinnen und Mandatare sowie Funktionärinnen und Funktionäre, die selbst einmal die Schule besucht haben.

Qualifizierter Zuzug

Der Austausch zur Situation auf dem Arbeitsmarkt war ebenso ergiebig; diskutiert von zwei Unternehmern, die tatsächlich damit zurechtkommen müssen. Unverständnis herrscht darüber, warum Österreich bis heute keinen qualifizierten Zuzug zustande bringt. Kein ungeregelter Zustrom von Wirtschaftsflüchtlingen, sondern Zuzug von qualifizierten Arbeitskräften, die die Wirtschaft benötigt.

In der Gastronomie wird der Druck schneller steigen. Wo werden wir Urlaub machen oder unser Sonntagsschnitzel genießen, wenn Betriebe aufgrund des Arbeitskräftemangels am Wochenende schließen oder überhaupt zusperren? In der Industrie gibt es bereits jetzt einen steigenden Export von Arbeitsplätzen und Investitionen. Der Streit, ob die fehlende Strompreisbremse oder die KV-Abschlüsse der letzten Jahre Auslöser dafür sind, ist müßig. Die Milch ist bereits verschüttet. Ein immer noch gültiger Spruch dazu lautet: Wenn die Menschen nicht zu den Maschinen kommen, gehen die Maschinen zu den Menschen. In vielen Industriebereichen Europas ist das bereits zu sehen.

Gemeinsame Verantwortung

Unsere so hoch gelobte Sozialpartnerschaft ist dabei ein besonderes Phänomen. Man stelle sich vor, dass man in der eigenen privaten Partnerschaft oder in der Zusammenarbeit auf betrieblicher Ebene so miteinander umgeht, wie es manche Vertreterinnen und Vertreter der Sozialpartner in den letzten Jahren zumindest öffentlich zelebrierten. Gemeinsame Verantwortung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und den Wirtschaftsstandort statt Klassenkampf-Show und Wadelbeißerei sollte man sich erwarten dürfen. Die Sehnsucht nach Benya und Sallinger ist daher sehr verständlich.

Technologie als Hebel

Ein Bewerber für einen Expat-Job im Ausland hat mich letzte Woche sehr positiv inspiriert: ein abgeschlossenes technisches Studium in Österreich, dazu ein Abschluss in Harvard, stets mit Bestnoten, berufliche Stationen im In- und Ausland, immer erfolgreich und stets bewusst ausgewählt. Er erzählte, dass er sich bei der Studienauswahl zwischen Technologie und Theologie entschieden hat. Er entschied sich für die Technologie, da ihm klar war, damit einen wesentlich größeren Hebel für eine Verbesserung der globalen Situation zu haben. Und er hielt es bislang im Zeitmanagement so, dass er 10 % seines Zeitbudgets für soziale Zwecke und das Gemeinwohl einsetzt. Deshalb bewarb er sich auch für den Job in unserem indischen Unternehmen.

Forschung & Entwicklung

Ein Gedankensprung: Viele Klimakleberinnen und Klimakleber sowie Aktivistinnen und Aktivisten sind gut ausgebildet und motiviert, die Situation auf diesem Planeten zu verbessern. Wenn junge Menschen die eigene Stimme erheben, um auf Probleme hinzuweisen, ist das ein starkes Zeichen für eine funktionierende Zivilgesellschaft. Protest bremst unerwünschtes Verhalten, technologischer Fortschritt kann unerwünschte Situationen komplett beseitigen. Wer spricht heute noch über Phosphat im Waschpulver, Treibhausgase in Spraydosen oder gelbe Wälder durch den sauren Regen? Und wie wurden diese Probleme gelöst? Proteste haben darauf hingewiesen, gelöst wurden die Probleme aber durch Forschung und technologische Entwicklungen.

Guten Morgen, Österreich!

Und last but not least, das Umsetzungstempo in Europa im Vergleich mit China. Im September 2007 startete China den Bau einer Hochgeschwindigkeitszugstrecke von Shanghai nach Peking. 1302 km wurden inklusive 16 km Tunnel im Juni 2011 für den Verkehr freigegeben. Der Auftrag zum Bau des Teilstückes der Koralmbahn von Graz nach Klagenfurt wurde Mitte der 90er-Jahre erteilt und soll 2025 abgeschlossen werden. 130 km Streckenlänge, 50 Kilometer Tunnel und etwas mehr als 100 Brücken. Die siebenfache Bauzeit für 10 % der Streckenlänge. Noch drastischer: Der Bau von 1,2 km Straßenbahn-Entlastungsstrecke u.a. durch die Neutorgasse in Graz benötigt eine Bauzeit von mehr als zwei Jahren. Guten Morgen, Österreich, möchte man rufen. Bleibt zu hoffen, dass sich Europa seiner Stärken besinnt, mehrere Gänge zulegt und den Wettbewerb um eine positive Entwicklung des Kontinents neu aufnimmt. Die stärkere Einbeziehung der Wirtschaft wäre dabei von Nutzen für alle.


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