Gastkommentar

Der Blick ins kulinarische Land ist ernüchternd

(c) Peter Kufner
  • Drucken
  • Kommentieren

Kulinarikstandort. Kaum ein Land hat so vielfältige Zutaten in bester Qualität zur Verfügung wie Österreich. Bloß landen diese nicht am Teller des Gastes.

Österreich soll als führende Kulinarikdestination etabliert werden. Dazu lud die Österreich Werbung vor einiger Zeit ins Gasthaus Floh im niederösterreichischen Langenlebarn. Bei strahlendem Wetter wurde die neue Positionierung vorgestellt. Im Pressetext heißt es dazu: „Die Einzigartigkeit der österreichischen Landschaft beeinflusst maßgeblich die Grundprodukte und deren Geschmack. Die Landschaft am Teller erlebbar zu machen, ist das Ziel der neuen Positionierung.“ Der Ort für die Präsentation war perfekt gewählt, denn Josef Flohs Gasthaus verkörpert wie kaum ein anderes, wie unsere Gastronomie zukünftig im Ausland wahrgenommen werden soll. Hervorragende regionale Grundprodukte, zeitgemäße und traditionelle Gerichte, sowie ein Ambiente, das mühelos den Spagat zwischen Wirtshaus und Top-Restaurant schafft. Mit solchen Gastronomen kann man punkten. ­Tatsächlich sieht die Realität außerhalb des idyllischen Landgasthofs jedoch anders aus. Der Blick ins Land ist ernüchternd.

Alibispeisen und Mutlosigkeit

Dabei, und das wurde von den Strateginnen und Strategen der Österreich Werbung richtig erkannt, mangelt es nicht an großartigen Produkten. Kaum ein Land hat ein so vielfältiges Bukett an Zutaten in bester Qualität zur Verfügung. Bloß landen diese nicht am Teller des Gastes. Stattdessen werden Gäste in weiten Teilen Österreichs, wenn sie angesichts des Wirtshaussterbens überhaupt eine Einkehrmöglichkeit finden, mit Convenience-Produkten, Alibispeisen in der fleischlosen Sektion, dubiosen, weil nicht deklarierten Zutaten und vor allem einer großen Portion Mutlosigkeit abgespeist. Das war bis jetzt offenbar ausreichend, wie die jährlichen Nächtigungsstatistiken zeigen. Will man jedoch zusätzliche, am kulinarischen Genuss Interessierte überzeugen, Österreich zu besuchen, wird das auf Dauer nicht reichen. Die Pandemie und die Inflation haben die Qualitätsansprüche der Gäste nochmals in die Höhe geschraubt. Werbung ist, so lernt man es bereits am Anfang des Studiums, vor allem ein Versprechen. Ob dieses eingelöst wird, entscheidet über Erfolg und Misserfolg. Derzeit deutet einiges auf Misserfolg hin.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autorinnen und Autoren wie dieser hier müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Aber genug gesudert!

Aber genug gesudert, denn noch ist Zeit, Maßnahmen zu setzen, die zum Erfolg führen können! Wenden wir uns deshalb lieber der Frage zu, was wirklich zu tun ist.

Über eines sind sich gute Köchinnen und Köche einig: Gute Speisen bedingen gute Zutaten, oder wie es in der IT so plastisch heißt: Garbage in, garbage out. Wie aber weiß der Gast, ob das Schnitzel oder der Schweinsbraten aus Quälfleisch besteht, oder im besten Fall vom regionalem Biobetrieb stammt? Indem die Gastronomin, der Gastronom die Herkunft und die Haltungsform der Zutaten deklariert. Deshalb muss die erste wichtige Maßnahme in Richtung Kulinarik­nation darin bestehen, diejenigen Heurigen, Buschenschänken, Weinbars, Wirtshäuser und Restaurants, die ihre Zutaten und deren Herkunft und Haltungsform bereits angeben, öffentlichkeitswirksam zu kennzeichnen. Das sind derzeit nicht so viele Betriebe, dass man schon den Führungsanspruch unter den Kulinariknationen stellen kann, aber immerhin ausreichend, um nicht völlig blank dazustehen. Idealerweise erfährt der Gast auch gleich, wie hoch der Anteil an Biolebensmitteln ist, die dort verarbeitet werden. Schließlich geht es darum, die „Landschaft am Teller erlebbar zu machen“, und die wird in Österreich bereits zu rund 27 Prozent biologisch bewirtschaftet, Tendenz steigend. Unser Status als Bio-Vorzeigeland sollte sich auch in der Gastronomie widerspiegeln, wollen wir beim Gast punkten.

Bäuerin sucht Köchin

Die gute Nachricht: Abseits der öffentlich finanzierten Tourismuswerbung funktioniert das Hervorheben derartiger Betriebe bereits. Gaumenhoch (gaumenhoch.at) zeichnet österreichweit jene Betriebe aus, die mindestens 30 Prozent Biolebensmittel verwenden und überprüft das auch. Slow Food Österreich (slow-food.at) ergänzt ähnliche Kriterien um den Faktor Regionalität. (Disclaimer: Bei Slow Food bin ich befangen – siehe die Info über meine Person.) Die staatlichen Touristikerinnen und Touristiker müssten sich mit diesen privaten Initiativen zusammentun, und sie mit dem unterstützen, was die Österreich Werbung am besten kann: Die frohe Kunde zu den potenziellen Gästen tragen. Dass hier teilweise unterschiedliche Kulturen (da staatlich finanziert, dort privatwirtschaftlich) aufeinander prallen ist evident, aber mit ein bisschen gutem Willen sollte das lösbar sein. Damit wäre ein erster Schritt getan, das Werbeversprechen zumindest teilweise einzulösen. Das Beste daran ist: Diese Maßnahme ist relativ schnell umsetzbar.

Als zweite Aktion gehören Landwirtschaft und Gastronomie besser miteinander vernetzt, damit noch mehr Betriebe „die Landschaft auf den Teller“ bringen. Oft mangelt es an der gegenseitigen Kenntnis. Wie diese Vernetzung abseits der Hochgastronomie organisiert werden kann sieht man in der Schweiz, wo Foodscout und Buchautor Dominik Flammer mit seiner Produzenten-Arena, einer Art Speed-Dating für Landwirtschaft und Gastronomie, sehr erfolgreich ist. Unter dem Motto „Koch sucht Bauer, Bäuerin sucht Köchin“ bringt er Gastronomen mit regionalen Landwirtinnen zusammen und sorgt so dafür, dass deren Produkte auf den Tellern der Gäste landen. Also anschauen, nachmachen, und so dafür sorgen, dass es weitere Gastronomiebetriebe gibt, die das Werbeversprechen einlösbar machen! Auch diese Maßnahme ist relativ einfach realisierbar.

Die dritte und wesentlichste Maßnahme fällt jedoch in die Kategorie „Bohren dicker Bretter“, deshalb habe ich sie mir bis zum Schluss aufgehoben. Um in weiteren Betrieben des Landes das Niveau der Speisen zu heben ist eine flächendeckende, über alle Gastronomiearten und -größen hinweg verpflichtende Deklaration der Zutaten zwingend notwendig. Erst ein Ende des Verschweigens wird für ein Ende der Ausreden (zu teuer, zu umständlich) und ein Anheben der Qualität sorgen. Soll das Werbeversprechen aufgehen, dann dürfen, neben dem Besuch eines Gastrotempels auch der Besuch im Wirtshaus neben dem Hotel, in der Weinbar gegenüber dem Apartment, im Heurigen im Ferienort für den kulinarisch interessierten Gast nicht zum Desaster ausarten, weil ihm dort Billigstzutaten, teilweise sogar zu überhöhten Preisen, kredenzt werden.

Die Landwirtinnen und Landwirte fordern seit Jahren eine verpflichtende Deklaration, und auch der jeweilige zuständige Minister wird nicht müde, beharrlich darauf hinzuweisen. Noch beharrlicher jedoch mauert die Standesvertretung der Gastronominnen und Gastronomen. Statt zukunftsorientierte, zeitgemäße Standespolitik zu betreiben verharrt man in der Wiedner Hauptstraße in betonhartem Reaktionismus. Ob die Österreich Werbung diese Nuss knackt? Ich habe meine Zweifel. Doch ohne eine verpflichtende Deklaration der Zutaten wird der Traum von der führenden Kulinarik­nation mit ziemlicher Sicherheit platzen. Dann handelt es sich um keine Strategie, sondern um so eine Art Gesundbeten. Das wäre doppelt schade, denn auch ich möchte endlich bei meinen Gastro-Besuchen nicht mehr so oft enttäuscht werden.

E-Mails und Reaktionen senden Sie bitte an: debatte@diepresse.com

Der Autor:

Michael Vesely (*1957) war 25 Jahre im Management von IT- und Telekomfirmen, ist seit zwölf Jahren Gastronom, Mitbegründer des Genussmarkts im Retzer Land und vom Slow Food Village Retz. www.genusspassionisten.at

Michael Vesely
Michael Vesely(c) beigestellt

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.