Junge Forschung

Wie tickt die innere Uhr der Zellen?

Alicia Michael fühlt sich wohl in Österreich: „Ich fand den kulturellen Mix in Europa immer schon sehr reizvoll.“
Alicia Michael fühlt sich wohl in Österreich: „Ich fand den kulturellen Mix in Europa immer schon sehr reizvoll.“Jana Madzigon
  • Drucken

Die Chronobiologin Alicia Michael erforscht am Insitute for Science and Technology Austria in Klosterneuburg, wie Zellen sich im Tag-Nacht-Rhythmus verändern.

Alles Leben unterliegt Rhythmen. Vorgegeben durch die Drehung unserer Planeten, hat sich das Leben auf der Erde im Laufe der Evolution an den immer wiederkehrenden Tag-Nacht-Rhythmus angepasst. Vom kleinsten Bakterium bis zum Menschen erkundet die Forschung, wie sich unsere Physiologie der Tageszeit anpasst. Grundlage für die sogenannte Chronobiologie sind molekulare Uhren in unseren Zellen – Proteine, die dafür sorgen, dass fast die Hälfte unserer Gene im Tagesrhythmus an- und ausgeschaltet werden.

Und selbst ohne Lichteinfluss behalten Körperzellen in etwa einen 24-Stunden-Rhythmus, daher die Bezeichnung „zirkadian“. Wie dies genau funktioniert, untersucht Alicia Michael – sie ist Biologin und seit April Assistenzprofessorin am Institute of Science and Technology Austria (Ista) in Klosterneuburg. „Als ich zu Beginn meines Doktorats in Kontakt mit zirkadianen Rhythmen kam, war ich vollkommen fasziniert: Wie schaffen es Zellen, die Zeit zu halten? Welche Mechanismen führen dazu, dass sich so viele Gene rhythmisch an- und ausschalten? Das wollte ich herausfinden.“

Gestörter Rhythmus macht krank

Aufgewachsen im US-Bundesstaat Washington absolvierte Michael ihr Doktorat von 2011 bis 2017 in den USA an der University of California, Santa Cruz. Dort begann sie zu untersuchen, wie Transkriptionsfaktoren – also Proteine, die an DNA binden und das Ablesen der Erbinformation anregen oder hemmen können – Gene rhythmisch aktivieren.

Dabei fand sie mehrere Proteine, die zusammenarbeiten, um die DNA-Struktur im Tag-Nacht-Rhythmus zu verändern. Denn nur wenn der DNA-Strang nicht zu eng verpackt ist, kann Geninformation überhaupt abgelesen werden. Eines der von ihr untersuchten Proteine – PASD1 – blockierte die anderen und brachte somit die molekulare Uhr zum Stillstand. Das ist besonders relevant, weiß man doch, dass Störungen des zirkadianen Rhythmus die Entstehung von Krankheiten wie zum Beispiel Diabetes und Krebs fördern können.

Wie das „molekulare Entpacken“ genau abläuft, konnte sie schließlich während ihrer Arbeit als Postdoktorandin in Basel erforschen. „Ich fand den kulturellen Mix in Europa immer schon sehr reizvoll. Und die Stelle in Basel gab mir die Möglichkeit, die damals noch neue Kryo-EM-Technik zu lernen“, erzählt Michael. Die Kryo-Elektronenmikroskopie erlaubt besonders naturgetreue Aufnahmen von Proteinkomplexen durch Millisekunden-schnelles Schockfrieren der Proben. Mithilfe dieser Technik, für die 2017 der Nobelpreis vergeben wurde, konnten Michael, ihre PhD-Betreuerin Carrie Partch von der University of California Santa Cruz und das Team von Nicolas Thomä am Friedrich Miescher Institute in Basel erstmals zeigen, wie genau rhythmisch aktive Proteine an die DNA binden und sie zum Ablesen entpacken.

»Am Ista gibt es perfekte technische Voraussetzungen.«

Alicia Michael,

Institute of Science and Technology Austria

In Klosterneuburg möchte sie diese Arbeit nun fortsetzen. Dazu analysiert sie eine winzige Alge: Chlamydomonas reinhardtii. Der einzellige Organismus ist ein hervorragendes Modell für die Untersuchung zirkadianer Rhythmen. „Über 80 Prozent ihrer Gene sind rhythmisch kontrolliert und sie hat ein relativ kurzes und leicht zugängliches Genom, das ist ideal für unsere Studien“, sagt Michael. Ideal erweist sich dabei auch die Elektronen-Mikroskopie-Abteilung des Ista. „Meine Forschung fügt sich hier sehr gut ein: Es gibt perfekte technische Voraussetzungen, ebenso wie andere Gruppen, die sich mit DNA-Struktur beschäftigen.“

Rockband gesucht

Besonders gut fand die Biologin, dass am Ista Doktoratsstudierende, so wie in den USA üblich, jeweils einige Monate in verschiedenen Forschungsgruppen verbringen, bevor sie sich für ein Projekt entscheiden. „Durch dieses System können angehende Wissenschaftler den Bereich finden, der sie wirklich fasziniert.“ Sie selbst motiviert nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Interaktion mit Menschen verschiedenster Herkunft – am liebsten in einer Rockband: „Gemeinsam Musik machen ist eine fantastische Art mit den unterschiedlichsten Leuten in Kontakt zu kommen. Ich hoffe, ich finde in Österreich bald eine neue Band.“

Zur Person

Alicia K. Michael (37) studierte Naturwissenschaften an der Western Washington University, USA. Nach einem Doktorat an der University of California arbeitete sie von 2017 bis 2024 als Postdoktorandin am Friedrich Miescher Institute und dem Biozentrum in Basel. Seit April 2024 leitet sie ihre eigene Forschungsgruppe am Ista in Klosterneuburg.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.