Literatur

Jessica George: Rollentausch mit der Mutter

Jessica George arbeitete bei einem Londoner Verlag.
Jessica George arbeitete bei einem Londoner Verlag.Suki Dhanda
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Herkunft, Familie und Tradition contra selbstbestimmtes Leben: Jessica Georges Coming-of-Age-Roman »Maame« trifft einen Nerv.

Wer kennt das nicht? Die dringlichen und heiklen Fragen stellt man gern dem Internet, nur um dann festzustellen, dass die Antworten Verwirrung stiften – und das Zwicken im Bauch wird gleich als Symptom einer tödlichen Krankheit ausgelegt. Jessica Georges Protagonistin, Madeleine, genannt Maddie, geht es ähnlich. Sie möchte allerhand von Dr. Google wissen, etwa „Was tun nach Kündigung?“, „Bedeutet ein drittes Date automatisch Sex?“ oder „Rückenschmerzen mit Mitte zwanzig“ – nur um nachher noch ratloser dazustehen. Zwei vertrauenswürdige Freundinnen hätte Maddie zwar, aber denen gegenüber gibt sich die Mittzwanzigerin in familiären und persönlichen Belangen eher verschlossen. Dass sie mit 25 noch im Elternhaus wohnt, hat allerdings nichts mit Unselbstständigkeit zu tun, denn die Tochter ghanaischer Einwanderer ist in vielerlei Hinsicht erwachsener als die meisten ihrer Altersgenossinnen. Seit Jahren pflegt sie ihren schwer an Parkinson leidenden Vater, zumeist allein, weil der Bruder in der Weltgeschichte herumtingelt. Die Mutter betreibt ein Hostel in Ghana und verlangt gelegentlich auch noch Geld von Maddie, die nach dem Studium, der Existenzsicherung wegen, in einem faden Assistenzjob festsitzt, die Ausbrüche der labilen Chefin ertragen und ständig Kaffee kochen muss.

Tragödie nach Feierlaune

„Maame“ ist ein Wort aus Twi, einem Dialekt aus der in Ghana gesprochenen Akan-Sprachgruppe, und bedeutet unter anderem „Frau“. Maame wird Maddie von ihrer Mutter genannt, und darauf ist sie stolz. Viel mehr noch erweist sie der Mutter, anders als ihr Bruder, den höchsten Respekt, obwohl diese sie gerne belehrt und quasi einen Rollentausch mit ihr vollzogen hat. Trotzdem bestärkt ebendiese Mutter Maddie, von zu Hause auszuziehen, schließlich sei sie damals nach Großbritannien ausgewandert, damit ihre Kinder es einmal besser haben als sie. Und so mietet sich Maddie, trotz reichlich schlechten Gewissens ihrem kranken Vater gegenüber, in eine WG ein. Ihre Mitbewohnerinnen sind ihr, was das Sozial- und Liebesleben betrifft, um Häuser überlegen – und sie lässt sich von der Leichtigkeit der beiden mitreißen. Doch ausgerechnet nach einer durchzechten und durch reichlich Hasch-Brownies versüßten Nacht ereignet sich eine private Tragödie – und Maddie wird vorerst wieder von ihrer Herkunft eingeholt.

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