Semesterende

Professionalisierungsschub und Zeitdruck: Das Schlussdefilee an Schulen und Universitäten

Finale der Hetzendorf-Show 2023. Nächster Termin: 19. und 20. 6. Die Kunstuniversität Linz zeigt am 28. 6. im Wiener Künstlerhaus.
Finale der Hetzendorf-Show 2023. Nächster Termin: 19. und 20. 6. Die Kunstuniversität Linz zeigt am 28. 6. im Wiener Künstlerhaus.Natalie Stephan/St. Büchereien
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Abschlussmodeschauen sind an Kunstunis und Modeschulen das Standardformat zum Jahresende. Wichtig sind der Deadline-Effekt und Anstrengungen, die über das Design hinausgehen.

Am Nebensitz raunt eine Dame mit etwas nervösem Unterton, sie hat offenbar die letzten paar Schauen ausgelassen: „Dauert das hier mittlerweile auch so lang wie in Antwerpen?“, und meint damit die legendär lange Abschlussshow an der dortigen Kunstakademie. Die Talentsucher und Fashion-Fans, die dieser Veranstaltung beiwohnen, dürfen sich auf eine mehrstündige Darbietung einstellen – ein nicht endendes Feuerwerk der Kreativität, um hier ein wenig im Bottich der Worthülsen umzurühren, aber eben auch ein etwas ausuferndes Event.

Ganz dieses Ausmaß hat die Show der Modeklasse an der Angewandten, die vor zwei Wochen stattfand, dann aber doch nicht angenommen – selbst wenn sie fraglos einer der Höhepunkte im Modejahreskalender des Landes ist. Es handelt sich immer auch um eine Bestandsaufnahme der von der künstlerischen Leitung vorgegebenen Richtung. So war dies die erste Show unter ­Gesamtverantwortung des Professors Craig Green, der für seine genderfluiden Kollektionen mit deutlichen Nachhaltigkeitsakzenten bekannt ist.

Einen anderen Ansatz bilden die Modediplome an der Kunstuniversität Linz ab: Hier folgt das Studium dem Leitmotiv „Fashion and Technology“, die Studierenden sind dazu angehalten, hoch innovative Materialien zu entwickeln bzw. Verfahrensweisen anzuwenden, die bestenfalls traditionelles Handwerkswissen und neuartige Ansätze auf einen Nenner bringen. Auch diese Studienrichtung setzt mittlerweile auf ein Showformat am Laufsteg zum Jahresabschluss, und zwar in Wien.

Finale der Modeschau von „Fashion & Technology“ an der Kunstuniversität Linz im Jahr 2023. Man zeigte in der alten WU in Wien.
Finale der Modeschau von „Fashion & Technology“ an der Kunstuniversität Linz im Jahr 2023. Man zeigte in der alten WU in Wien. Juergen Hammerschmid

Linz in Wien

„Von einer klassischen Show würde ich trotzdem nicht sprechen“, betont die für den kreativen Teil von Fashion and Technology zuständige Professorin Ute Ploier. „Unsere Studierenden folgen verschiedenen Ansätzen bei Material und Produktionsweise, setzen auf Themen wie Inklusion und Diversität. Das soll sich inhaltlich in der Präsentation widerspiegeln.“ So wurde etwa eine Lehrveranstaltung zum Thema der Modekuration eingerichtet, an der Produktion selbst arbeiten Studierende des ersten Jahrgangs intensiv mit und lernen so etwas über Eventmanagement. Auch Hintergrundvisuals und eine Soundkulisse gehören zum Gesamtkonzept. „Die Produktion mit all ihren Verantwortungsbereichen bedeutet einen deutlichen Professionalisierungsschub“, ist sich Ploier sicher.

Dass man nun schon zum zweiten Jahr mit der Präsentation von Linz nach Wien übersiedelt, hat nachvollziehbare Gründe. Das potenziell erreichbare Publikum ist in der Hauptstadt größer, hier sitzen außerdem die als Katapult in die Industrie funktionierende Austrian Fashion Association, andere potenzielle Fördergeber und ein Großteil der heimischen Modepresse. „Die Laufstegpräsentation holt die Arbeit der Studierenden aus dem reinen Uni-Kontext heraus und funktioniert am Ende des Studiums wie ein Reality-Check, der dabei helfen kann, die eigene Arbeit neu einzuordnen.“

Monica Titton, Senior Scientist an der Modeklasse der Angewandten, kommt zu einem ähnlichen Schluss: „Die Show bietet die Möglichkeit, die eigene Arbeit mit den Positionen von anderen Studierenden vergleichen zu können“, sagt sie. Das Hinarbeiten auf eine konkrete Deadline sieht auch sie als Belastungsprobe, die die Realität der Modebranche in Städten wie Paris, Mailand und London abbildet. Sah es während der Pandemie noch so aus, dass alternative – digitale – Präsentationsformate der klassischen Modeschau den Rang ablaufen werden, so hat sich dies nicht bewahrheitet.

„Die Show macht deutlich, was die Studierenden erwartet, wenn sie in einem großen Modehaus arbeiten wollen. Die klassische Runway­Präsentation bleibt das wichtigste Format, bei uns ist es auch ein Fest für alle Beteiligten.“

Ein Look aus der Diplomkollektion von Pouran Parvizi, Show Angewandte 2024.
Ein Look aus der Diplomkollektion von Pouran Parvizi, Show Angewandte 2024.Mario Ilic

Shows im Schlosspark

Gleich vier dieser Feste finden an zwei Tagen im Schlosspark von Hetzendorf statt, wenn die Modeschüler der Stadt Wien ihre Semesterarbeiten vorführen. „Die Show ist eine Chance für unsere Schule, die Mode als ein Gesamtkonzept zu begreifen“, sagt Markus Binder, der die Fächer Modeentwurf, Projektwerkstätte und Schnittzeichnen unterrichtet. „Die Schülerinnen und Schüler sind in alle Bereiche involviert, auch Casting der Models, Fittings, Make-up. Manche von ihnen sehen die Show selbst gar nicht, weil sie im Backstagebereich so eingespannt sind.“

Da alle Schüler aus den unterschiedlichen Abteilungen – neben dem klassischen Kleidermachen gibt es auch die Schwerpunkte Textildruck, Strick, Taschen- und Schuhdesign – mit ihrer Arbeit vor den Vorhang geholt werden sollen, ist die Anzahl an Looks entsprechend groß. „238 Modelle waren es im Vorjahr, unser Laufsteg ist 68 Meter lang. Wir versuchen, das so kompakt wie möglich anzulegen; die Show hat letztes Jahr etwas unter einer Stunde gedauert“, sagt Markus Binder.

Der Enthusiasmus war bei dieser Gelegenheit groß, denn in den Vorjahren musste man auf alternative Formate setzen. „Einmal haben wir eine Fotostrecke produziert, die auf den Wiener Straßenbahnen zu sehen war.“ Der dauernden Bewegung öffentlicher Verkehrsmittel geschuldet, lässt sich hier wohl ebenfalls von einem dynamischen Format sprechen, entscheidend für die Inszenierung von Kleidung ist aber ihr Dialog mit dem menschlichen Körper. „Als wir endlich wieder eine Laufstegschau machen konnten, war das schon etwas anderes – für das Publikum, aber in erster Linie die Schülerinnen und Schüler“, so Markus Binder.

»Die Show funktioniert am Ende des Studiums wie ein Reality-Check und hilft, die eigene Arbeit neu einzuordnen.«

Ute Ploier

Professorin Fashion and Technology, Kunstuniversität Linz

An postpandemische Erleichterung erinnert sich auch Monica Titton, die heute keinen Zweifel an der anhaltenden Relevanz solcher Shows hegt. „Als wir 2022 die erste Show nach zweijähriger Unterbrechung ausgerichtet haben – in einer blau beleuchteten Aula mit einem Live-Orchester vor Ort –, ist auch uns klar geworden, dass es solche Inszenierungen weiterhin braucht.“ Ute Ploier wiederum hat auch das Publikum im Blick, wenn sie sagt: „Wer einmal bei einer gut gemachten Modeschau gewesen ist, weiß um den Gänsehautmoment, der sich da einstellen kann.“ Die Frage, ob sich auch dreistündige Gänsehautschübe mit Laufsteglooks hervorrufen lassen, muss anlässlich der Kompaktheit der Abschlussshows hierzulande ja glücklicherweise nicht beantwortet werden.

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