Theater

„Wiener Prozesse“: Pro-Palästina-Aktivisten boykottieren das Theater-Gericht

Die ehemalige Präsidentin des Nationalrats Heide Schmidt im Rahmen der Eröffnungssitzung
Die ehemalige Präsidentin des Nationalrats Heide Schmidt im Rahmen der Eröffnungssitzung "Wiener Prozesse (2. Wochenende) Anschläge auf die Demokratie" im Odeon-Theater in Wien.APA / APA / Tobias Steinmaurer
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Zwei „Zeugen“ von israelkritischen Gruppen sprengten am Samstag den zweiten Teil des Prozesses bei den Wiener Festwochen. Sie versuchten, das Dokutheaterstück als Propagandaplattform zu nutzen.

Die ersten beiden Wochenenden der „Wiener Prozesse“ der Wiener Festwochen – bei denen es um Corona und die FPÖ ging – waren ohne Störungen verlaufen: Sowohl Publikum als auch die Mitwirkende hörten auch jeweils anderen Meinungen zu, ohne zu Zwischenrufe und – wie vor Gericht üblich – ohne Applaus. Auch der erste Teil des dritten Wochenendes – unter dem Sammeltitel „Die Heuchelei der Gutmeinenden“ –, bei dem die „Letzte Generation“ behandelt bzw. „angeklagt“ wurde, verlief ruhig. Doch dann am Samstag nachmittag sprengten zwei „geladene Zeugen“ von israelkritischen Gruppen den zweiten Teil, bei dem es um propalästinensischen Aktivismus ging, konkret um die Frage, ob die Auflösung von Protestcamps rechtmäßig war. Die beiden „Zeugen“ verweigerten es, ihre Meinung geordnet zu äußern und auf die Fragen zu antworten, sie hielten statt dessen wilde Propaganda-Reden.

„Zeugen“ verlesen israelkritisches Manifest

Eigentlich hatte die ehemalige SPÖ-Justizministerin Maria Berger, die die Rolle der „vorsitzenden Richterin“ spielte, Maya Rinderer von der linken jüdischen Gruppierung „Judeobolschewiener:innen“ nur aufgefordert, Namen und Beruf zu nennen. Doch die „Zeugin“ weigerte sich und verließ den Boden der Inszenierung. Sie begann, ein vorbereitetes Manifest zu verlesen: „Die Botschaft an die Wiener Festwochen: Ihr seid nicht angeklagt, ihr seid verurteilt“, erklärte sie. Während die „israelische Besatzungsmacht“ einen „brutalen Genozid an den Palästinenserinnen mit bereits über 50.000 Märtyrerinnen“ verübe, würden die Festwochen ihre „heuchlerischen und politisch völlig entleerten Wiener Prozesse“ veranstalten.

Nachdem die „Zeugin“ nicht auf die Aufforderungen von der Richterbank reagierte, wurde das Mikrofon abgedreht und die „Sitzung“ unterbrochen. Die Aktivistin las ihr Manifest jedoch bis zum Ende und verließ, ohne eine einzige Frage beantwortet zu haben, das Odeon Theater.

War Auflösung des pro-palästinensischen Protestcamps rechtens?

Rinderer sollte am Samstagnachmittag nicht die einzige Teilnehmerin des Theaterstücks sein, die die erwünschte Debatte radikal ablehnte. Das Prozedere wiederholte sich kurze Zeit später, als der mit einem Palästinensertuch ausgestattete Aktivist Daniel Jungmayer von BDS (Boycott. Divestment. Sanctions.) es ebenso vorzog, ein israelkritisches Manifest zu verlesen. Im erregten Tonfall, die Schwurhand in der Höhe, forderte er etwa zum Boykott der PC- und Druckerfirma HP auf.

„Liebes Publikum, wir haben keine Sicherheitspolizei“, beklagte die „Vorsitzende“ Berger und forderte das Publikum auf, den Saal zu verlassen. Der davon ungerührte Jungmayer las zu Ende und verließ schließlich ebenso das Theater. Die restlichen „Zeugenbefragungen“ verliefen im üblichen Rahmen, sieben „Geschworene“ der „Freien Republik Wien“ werden am Sonntagabend zu entscheiden haben, ob die Auflösung eines pro-palästinensischen Protestcamps vor der TU Wien durch die Polizei rechtskonform war oder nicht.

Gericht beschäftigt sich mit Klimaaktivismus

Am Vormittag hatte sich das Gerichts mit Klimaaktivismus beschäftigt. Infrage stand dabei nicht die Weltsicht der „Letzten Generation“, unterstrich Anklägerin Laura Eisenhans: „Was angeklagt ist, ist das Handeln.“ Das betreffe konkret die Unbrauchbarmachung eines Autobahnkreuzes, also schwere Sachbeschädigung, mit dem Vorsatz, die Regierung zu einer Handlung zu zwingen. Dies zeuge von terroristischem Charakter. „Niemand von der ,Letzten Generation’ hatte den Vorsatz, schwere Sachbeschädigung zu begehen“, unterstrich indes Paul Kessler, der auch in der Realität der Verteidiger der “Letzten Generation“ ist. Damit falle der Vorwurf der terroristischen Vereinigung in sich zusammen.

Am Ende zeigte sich bei den Zeuginnen und Zeugen von allen Seiten, dass niemand die Aktivistinnen und Aktivisten für Terroristen hält. Afra Porsche, Mitglied der „Letzten Generation“, unterstrich im Zeugenstand aber die Bedeutung des zivilen Ungehorsams: „Wir sind immer gewaltfrei.“ Die Einsatzkräfte hätten die festgeklebten Aktivisten auch lösen können, ohne die Straße aufzureißen: „Und ist es keine schwere Sachbeschädigung, uns in die Klimakatastrophe laufen zu lassen?“

Hutter bestreitet menschengemachten Klimawandel

Andre Hutter, Initiator des Volksbegehrens „Leben ohne Klimalügen!“, bestritt hingegen den menschengemachten Klimawandel, sondern sieht diesen als Kontinuum im Weltenlauf. Aber er verstehe die Motivation der Aktivistinnen und Aktivisten, die er nicht als Terroristen sehe, angesichts der Angstmache durch Lobbyisten: „Die Politiker bedient sich des Mittels der Angst.“

Die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer betonte zwar, dass sie die Methoden der Demonstranten für ungeeignet halte: „Ich glaube, der Punkt, an dem dieser Art von Aufmerksamkeit hilfreich war, ist überschritten.“ Aber dennoch müsse die Gesellschaft diese aushalten. Sie sei allerdings skeptisch bezüglich dystopischer Szenarien, die bei den Menschen stets zu Resignation führten.

Millionenerbin Engelhorn „dankbar“ über Aktionen der „Letzten Generation“

„Dankbar“ ob der Aktionen der „Letzten Generation“ zeigte sich Millionenerbin Marlene Engelhorn: „Ziviler Ungehorsam ist, wenn er in Achtung des Lebens handelt, durchaus legitimiert zu stören.“ Dies sei wichtig, um zu zeigen, dass die Menschheit Grenzen des sozialen Zusammenhalts und des Planeten überschritten habe.

Festwochen stehen am Sonntag selbst vor „Gericht“

Wirklich spannend dürfte aus Festwochen-Sicht nun der Sonntag werden, stehen am Abschlusstag doch die Festwochen selbst vor dem theatralen „Gericht“ der „Freien Republik“. Das Festival wird sich dabei wegen Fördermissbrauchs verantworten müssen, weshalb Festwochenchef Milo Rau selbst und die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) verhört werden. Die Urteile in den Prozessen werden von den sieben „Geschworenen“ dann am Sonntagabend gefällt. (APA/red.)

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