Ehemaliger VfGH-Präsident

Ludwig Adamovich: Das Gewissen der Republik ist verstummt

Ludwig Adamovich starb im Alter von 91 Jahren in Wien.
Ludwig Adamovich starb im Alter von 91 Jahren in Wien.Clemens Fabry
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Die Stimme des Gewissens ist leise, aber immer da, sie ist unbestechlich und manchmal unangenehm. Für die Republik Österreich war eine solche Stimme Ludwig Adamovich, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Jetzt ist diese Stimme für immer verstummt: Adamovich starb mit 91 Jahren in Wien (geb. 24. August 1932).

Bis zuletzt hatte Ludwig Adamovich ehrenamtlich Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Verfassungsfragen beraten – eine Tätigkeit, die er bereits unter Van der Bellens Vorgänger Heinz Fischer ausgeübt hatte. Und bei der er zwar im Hintergrund blieb, das Staatsganze aber möglicherweise mehr mitgestaltete als einst in der repräsentativen Funktion des VfGH-Präsidenten.

Zu diesem war der konservative Jurist paradoxerweise gegen den Willen der ÖVP geworden. Das geschah 1984 unter der rot-blauen Regierung Fred Sinowatz. Im Jahr davor hatte Adamovich sein ÖVP-Parteibuch zurückgelegt. Er nannte als Grund „schwerwiegende sachliche Differenzen“. Beobachter meinten, ein anderes Motiv zu erkennen. Als Chef des Verfassungsdienstes habe Adamovich sich Chancen ausrechnen können, Justizminister eines rot geführten Kabinetts zu werden.

Der Sohn aus konservativem Haus, dessen Vater Ludwig Adamovich senior vor dem Zweiten Weltkrieg ein paar Wochen Justizminister und nach diesem ebenfalls Präsident des VfGH gewesen war, stand in seinem juristischen Wirken keiner Partei nahe. Er war Beamter im besten Sinn: nichts und niemandem anderen verpflichtet als Gesetz und Verfassung.

Diese war dem am 24. August 1932 in Innsbruck Geborenen schon ab 1956, also als 24-Jährigem, die wichtigste Rechtsquelle. Da trat Adamovich in die Dienste des Verfassungsdiensts im Bundeskanzleramt. Nach seiner Habilitation an der Universität Wien nahm er den Ruf nach Graz als Professor für öffentliches Recht an. Im akademischen Umfeld fehlte ihm die Betriebsamkeit des Verfassungsdienstes, die er dann – 1976 dorthin zurückgekehrt – als Chef wieder auskosten konnte.

Auch als Präsident des VfGH, der er von 1984 bis 2002 war, verlebte Adamovich eine Zeit, die alles andere als ruhig war. Während seiner Präsidentschaft entwickelte der Gerichtshof eine bis dahin nicht gekannte Judikatur: Aus der Verfassung wurden nicht mehr bloß formale Spielregeln herausgelesen, an die sich der Gesetzgeber zu halten hatte. Darüber hinaus leitete der Gerichtshof immer mehr inhaltliche Vorgaben für den Gesetzgeber ab, was aber weniger wegen Adamovichs Präsidentschaft geschah als trotz derselben.

Auch der Gleichheitssatz („Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich“) wurde mit immer mehr Inhalt aufgeladen, bis er bei nahezu jeder Gesetzesprüfung eine Rolle spielte und zur Aufhebung „unsachlicher“ Regelungen führte. Adamovich verspürte ein gewisses Unbehagen, wie er einmal im „Presse“-Interview sagte: „Mir ist bei der ganzen Gleichheitsjudikatur nicht sehr wohl, weil es furchtbar schwer ist, die Auswirkungen abzuschätzen.“

Warnung vor Demagogen

So richtig ungemütlich wurde es für Adamovich 2001: Da zog das Höchstgericht mit dem „Ortstafelerkenntnis“ den Furor des damaligen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider auf sich. Der Präsident stellte sich gleichsam selbst einem Amtsenthebungsverfahren, doch der VfGH beließ ihn – angesichts der Haltlosigkeit der Anwürfe wenig überraschend – im Amt.

Im Politischen war Adamovich, Träger höchster Auszeichnungen, die Meinungsfreiheit überaus wichtig, auch wenn er warnte, das Feld „denjenigen zu überlassen, die sie von innen heraus zerstören wollen“. Das schrieb er im 2020 erschienenen Buch „Wo wir stehen“. Und: „Wir müssen lernen, eine klare Trennlinie zu ziehen, wenn Populisten und andere Demagogen den Rechtsstaat beschädigen und die Demokratie unterwandern wollen.“

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