EU-Umweltminister

„Daher stimme ich für die Annahme“

Klima- und Umweltministerin Leonore Gewessler gab am Montag den Ausschlag für das EU-Renaturierungsgesetz.
Klima- und Umweltministerin Leonore Gewessler gab am Montag den Ausschlag für das EU-Renaturierungsgesetz.Cajetan Perwein/APA
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Klimaschutzministerin Leonore Gewessler sorgte am Montag in Luxemburg für die Kehrtwende im Ringen um ein Schlüsselgesetz der europäischen Klimapolitik.

Brüssel. 20 Mitgliedstaaten dafür, sechs dagegen, einer enthielt sich, die Schwelle von mindestens 15 Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der Bevölkerung der EU umfassen, mit 66,07 Prozent haarscharf überschritten: Nach einer guten Stunde war am Montag in Luxemburg die Aussprache der Vertreter der 27 Mitgliedstaaten über die Verordnung zur Renaturierung beendet, und die lange Zeit wegen Österreichs ablehnender Enthaltung unmögliche Mehrheit gesichert. Nach der gleichermaßen haarscharfen Abstimmung im Europaparlament vor einem Jahr kann dieses Kernstück der europäischen Klimapolitik nun also in Kraft treten.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sprach als Siebente, auf ihr Wort kam es an, denn ohne Österreichs Zustimmung wäre die 65-Prozent-Schwelle bei der Abstimmung nicht zu erreichen gewesen. Gewessler listete zunächst all die Bedenken auf, welche ihr die Landeshauptleute und der Koalitionspartner ÖVP bisher bei jeder Befassung mit diesem Dossier mit auf die Reise nach Brüssel beziehungsweise Luxemburg ins Handgepäck gesteckt hatten: Subsidiarität respektieren, der Europäischen Kommission bei den sekundären Rechtsakten (vereinfacht gesagt, den technischen Durchführungsbestimmungen) nicht allzu lange Leine lassen, und natürlich „braucht es zuallererst Freiwilligkeit und Anreize, um Landwirte und Grundeigentümer“ zur Herstellung des natürlichen Zustandes eines Teiles ihrer Flächen zu motivieren.

Die Presse/PW

Und dann sagte Gewessler das, was 19 andere Mitgliedstaaten eben­so erhofft hatten, wie es den Bundeskanzler und die Europaministerin zu Anschuldigungen des Verfassungsbruchs herausgefordert hatte: „Diese Forderungen sind in dem Vorschlag enthalten. Daher werde ich heute für die Annahme des Vorschlages stimmen.“

„Wozu noch Kompromisse?“

Bei den 19 anderen Befürwortern überwog neben den ökologischen Beweggründen für die Annahme des Gesetzesvorschlages das Argument der politischen Glaubwürdigkeit der EU. „Wenn wir es nicht schaffen, diese Verordnung anzunehmen, untergraben wir die Grundlage der EU“, sagte beispielsweise der tsche­chi­sche Umweltminister, Petr Hladík. „Wozu gibt es dann sonst noch Kompromisse? Das ist doch schon alles abgestimmt gewesen. Das muss darum angenommen werden.“

„Wir müssen kohärent bleiben“, sagte Spaniens Klimaschutzministerin, Teresa Ribera, die als Kandidatin für einen wichtigen Posten in der nächsten Europäischen Kommission gehandelt wird. „Nichts zu tun, geht nicht. Es gibt keine Arbeit auf einem toten Planeten. Und das gilt erst recht für die Landwirtschaft.“ Auch die Slowakei schwenkte von ihrer lange Zeit skeptischen Position um und stimmte für das Gesetz. Der slowakische Umweltminister, Tomáš Taraba, hatte noch vor einigen Wochen verkündet, er lehne die Renaturierungsverordnung ab.

Unter den Nein-Stimmen fanden sich mit Italien und Polen zwei der großen Mitgliedstaaten. Dazu kamen die Niederlande, Schweden und Finnland. Sie lehnen das Vorhaben schon seit Langem ab; die beiden nordischen Länder in erster Linie deshalb, weil sie der Ansicht sind, dass die Renaturierung großer Flächen ihrer Forstwirtschaft zu große Bürden auferlegen würde. Die Minister Polens und Italiens wiederum nannten die angeblich zu hohe bürokratische Belastung ihrer Landwirte als Grund für ihre Ablehnung.

Einige der Staatenvertreter, die für das Gesetz stimmten, betonten jedoch zugleich auch die Notwendigkeit, entsprechende finanzielle Mittel bereitzustellen, um Grundbesitzern und Landwirten bei der Renaturierung zu helfen, beziehungsweise ausfallende Erträge zu ersetzen. Inwiefern sich dafür im Haushaltsrahmen der EU für die Jahre 2028 bis 2034 Spielraum finden wird, ist fraglich.

Minister blieb mit Zug stecken

Die politische Bedeutung dieser Abstimmung samt vorheriger Aussprache ließ sich unter anderem auch daran ermessen, dass Frankreichs Umweltminister, Christophe Béchu, trotz der äußerst angespannten innenpolitischen Lage vor den vorgezogenen Neuwahlen zur Assemblée nationale in zwei Wochen persönlich anzureisen gedachte. Üblicherweise lassen sich Minister bei weniger wichtigen Ratstagungen von den EU-Botschaftern vertreten. Am Rat konnte Béchu allerdings nicht teilnehmen: Sein Zug aus Paris musste knapp vor neun Uhr morgens aufgrund einer technischen Panne wenige Kilometer vor der luxemburgischen Grenze im französischen Thionville aus dem Verkehr gezogen werden.

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