„Krasses Fehlverhalten“

Nehammer zu Koalitionsende: „Ich werde das nicht tun“

Zuerst trat Kanzler Nehammer vor die Medien, nicht einmal eine Stunde später auch noch Vizekanzler Kogler.
Zuerst trat Kanzler Nehammer vor die Medien, nicht einmal eine Stunde später auch noch Vizekanzler Kogler.Picturedesk / Martin Juen
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Kanzler Nehammer verkündete, dass er die Koalition nicht beenden wolle. Doch habe Ministerin Gewessler mit ihrem „krassen Fehlverhalten“ rechtswidrig gehandelt und damit einen „massiven Vertrauensbruch“ verursacht. Grünen-Chef Kogler verteidigt den Schritt: Man hätte es immer wieder genau so gemacht.

Es ist ein einmaliger Fall in der Geschichte der EU: Die Uneinigkeit zwischen ÖVP und Grünen beim Renaturierungsgesetz konnte bis zur Abstimmung am Montag nicht ausgeräumt werden. Wie angekündigt hat Leonore Gewessler (Grüne) beim Ministerrat in Luxemburg zugestimmt – und es damit auf den Weg gebracht. Die Stimme Österreichs war maßgeblich. Eine Enthaltung hätte nicht gereicht. Ihr Koalitionspartner wirft ihr deshalb Verfassungsbruch vor.

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) trat deshalb am Montag, nur wenige Minuten vor der EU-Ratssitzung in Brüssel, zu der er angereist war, in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz vor die Medien. Das Ende der Koalition stand im Raum. Nehammer wolle „klare Worte aus Brüssel“ nach Österreich richten, sagte er gegen 17.45 Uhr. „Wir sind Zeuge geworden, dass eine Ministerin der Republik einen Rechtsbruch begangen hat.“ Dagegen werde man ankämpfen. Zum einen auf EU-Ebene, zum anderen mit der Anzeige wegen Amtsmissbrauch.

Dass die Erwartungshaltung von vielen sei, dass man „nach so einem krassen Fehlverhalten“ eine Koalition beendet werden müsse, könne er nachvollziehen. Aber: „Ich werde das nicht tun“. Er wolle nicht, dass das Land „im Chaos“ eines freien Spiels der parlamentarischen Kräfte versinkt.

„Emotionen sind da“

Gefühlsmäßig hätte es „keinen Sinn mehr“, sagte er. „Die Emotionen sind da.“ Der Koalitionspartner habe sein „wahres Gesicht gezeigt“, dieses sei „auf der einen Seite moralisierend, auf der anderen Seite jederzeit bereit, die Ideologie über die Verfassung zu stellen“.

Die ÖVP hatte schon am Nachmittag ihrer Wut freien Lauf gelassen. Man habe eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauch gegen Gewessler eingebracht, verschickte Generalsekretär Christian Stocker via Aussendung. Es bestehe der Verdacht, dass Gewessler „rechtswidrig und wissentlich gegen die klaren Vorgaben des Verfassungsdienstes und gegen die Verfassung handelt“.

Gewessler hat ihrerseits auf juristische Gutachten verwiesen, die ihr Vorgehen rechtlich untermauerten. Das stellte Stocker als „Privatgutachten“ dar, mit denen sie sich über den Verfassungsdienst „hinwegsetzt“. Das aber wiederum sahen juristische Experten im Verlauf des Montags schon alleine damit widerlegt, weil Gewessler nicht willkürlich handelte, sondern dieses Handeln ihrerseits infolge von wochenlangen Verhandlungen, Informationsaustausch und rechtlicher Beratung zustande kam.

Kogler: „Hätten es immer wieder genau so gemacht“

Nicht einmal eine Stunde nach dem Bundeskanzler rief auch sein Vize Werner Kogler (Grüne) zur Pressekonferenz. Er rechtfertigt den Schritt von Leonore Gewessler „Mit diesem rechtlichen Gutachten hätten wir es immer wieder genau so gemacht“, sagt Kogler. Denn: „Wer schützt das Klima, die Natur, die Umwelt, wenn nicht wir?“.

Die Zustimmung zu dem Renaturierungsgesetz sei nicht ein „Sieg für die Ideologie, sondern ein Sieg für die Natur“ und ein „unfassbar wichtiger Schritt“ für Österreich. Denn es solle auch in Zukunft noch wahr sein, was man in der Bundeshymne besinge: Österreich als „Land der Äcker und Land am Strome“, sagt der Vizekanzler.

Kogler zufolge sei jeder Schritt rechtlich untermauert, weshalb man der Amtsmissbrauchsklage gegen Gewessler gelassen entgegensehe. Die Zusammenarbeit der Koalition sieht er nicht gefährdet: „Wir haben uns immer wieder zusammengerauft und ich bin zuversichtlich, dass das auch jetzt wieder gelingt“. Es sei aktuell nämlich keine Zeit für Streitigkeiten, sondern eine zum Arbeiten, „zum Hackeln“, betont der Grünen-Chef. (juwe/schev)

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