Auf Achse

Gibt es einen Plan für Deutschlands marode Infrastruktur?

Deutschland hätte die Fußballeuropameisterschaft zum Anlass nehmen können, an seiner maroden Infrastruktur zu arbeiten – von der Bahn bis zum Internet. Aber in den sechs Jahren seit der Vergabe blieb viel liegen, der Rest war Symbolik.

Wenn man sich bei der Deutschen Bahn auf etwas verlassen kann, dann ist es ihre Unzuverlässigkeit. So fiel – man ist versucht zu sagen: pünktlich – zum EM-Auftakt am Freitagvormittag wieder einmal etwas aus. Diesmal meldeten Bahnfahrer, ihre gekauften Tickets würden nicht mehr in der App aufscheinen. Die Deutsche Bahn bestätigte die massive Onlinestörung am ersten EM-Tag. Betroffen waren auch Schottlandfans, die zum Auftaktspiel nach München fuhren.

Auch konnte eine Zeit lang niemand mehr suchen, wo der Zug abfährt und welcher verspätet ist. Was wiederum für erfahrene Bahnfahrer nicht so dramatisch war: Die Angaben in der Deutsche-Bahn-App gelten als, genau, unzuverlässig. Wer wissen will, ob der Zug fährt, muss schon auf dem Bahnsteig stehen und schauen, ob etwas kommt.

Seit sechs Jahren weiß die deutsche Politik, dass im Land eine Europameisterschaft stattfinden wird. Als Deutschland im Jahr 2018 in Nyon ausgewählt wurde, werkte noch Angela Merkel im Kanzleramt, die Zinsen waren niedrig, der Staat nahm zig Milliarden Euro mehr ein als er ausgab. Im Nachhinein ist man immer schlauer, aber die Zehnerjahre wären wohl ein guter Zeitpunkt gewesen, um in Grundlegendes zu investieren.

Die Euro hätte dafür einen guten Anlass geboten: Mehr als zwei Millionen Fußballfans, die mit der Bahn von Spiel zu Spiel fahren, überall Internet, ein modernes Land, das sich der Welt oder zumindest Europa präsentiert.

Ja, die Deutsche Bahn in sechs Jahren in die Spur zu bringen, wäre nicht möglich gewesen. Schließlich kam im Jahr 2020 die Pandemie, die alle Pläne durcheinander warf.

Aber gab es so etwas für die Euro überhaupt – einen Plan? Wäre doch ein schöner Kontrast zur umstrittenen WM in Katar gewesen, wo überdimensionierte Stadien in den Wüstensand gestellt wurden, bei deren Errichtung auch noch Bauarbeiter starben. Da die arabische Autokratie, in der die Schwächsten geknechtet werden, um das Spektakel zu ermöglichen; dort die europäische Demokratie, in der zusammen am Wohlstand gearbeitet wird.

Dass es in Deutschland den Drang gab, einen Kontrast zu betonen, zeigten seine Vertreter selbst: Die Innenministerin fuhr mit einer One-Love-Schleife nach Katar, die Nationalmannschaft hielt sich selber den Mund zu. Ein bisschen Symbolik geht immer.

Im eigenen Land blieb der Eifer aus. „Was die Bundesregierung derzeit liefert, reicht so nicht, um die Chancen einer Europameisterschaft vollumfänglich zu nutzen“, sagte Andreas Schär, einer der zwei Geschäftsführer der Euro 2024 GmbH, vor einem halben Jahr. Kurz vor dem Auftaktspiel meldete er sich nochmal zu Wort: Die Probleme mit der deutschen Infrastruktur seien gigantisch, die Bürokratie überbordend, alles dauere viel zu lange.

Zumindest in den EM-Stadien soll das Internet funktionieren. In der Berliner Fanmeile wurden extra Handymasten aufgestellt. Für viele Deutsche eine neue Erfahrung: Handyempfang ist in manchen deutschen Städten ähnlich zuverlässig wie die Bahn.

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