Nachruf

Anouk Aimée: Eine Vielgeliebte des französischen Kinos ist tot

Die Ausstrahlung der ewig Fremden: Anouk Aimée. Anouk Aimée
Die Ausstrahlung der ewig Fremden: Anouk Aimée. Anouk Aimée Luc Fournol via www.imago-images.de
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Im legendären Film „Ein Mann und eine Frau“, als Tänzerin Lola und in Fellini-Filmen an der Seite Mastroiannis kam Anouk Aimée zu internationalem Ruhm. Sie hatte die Ausstrahlung der ewig Fremden – und brauchte Vergleiche mit Stars wie Catherine Deneuve oder Fanny Ardant nicht zu scheuen.

Zwei Jahre hat sie den Mann überlebt, mit dem sie eines der ergreifendsten Liebespaare der Filmgeschichte gespielt hat: Anouk Aimée und Jean-Louis Trintignant waren 1966 „Ein Mann und eine Frau“ im gleichnamigen Film von Claude Lelouch: ein Rallyefahrer und ein Scriptgirl, beide Mitte dreißig, verwitwet und Alleinerzieher, die sich langsam von ihrer Trauer lösen und für eine neue Liebe öffnen. Vielfach preisgekrönt (Goldene Palme in Cannes, zwei Oscars, zwei Golden Globes, davon einer für Anouk Aimée), nistete sich dieser Film für lange Zeit in den Herzen eines nicht nur französischen Publikums ein; so sehr, dass Regisseur Lelouch zwei Fortsetzungen drehte, die letzte 2019. Tief traurig und beglückend war diese erneute Begegnung der beiden, der 89-jährige Trintignant (im Rollstuhl) fast nur noch Gesicht und Stimme, die nur ein Jahr jüngere Aimée noch voll im Leben wirkend, eine geradezu edle Gestalt. Mit 92 Jahren ist sie nun verstorben.

Eine ruhige, rätselhafte Eleganz und die Aura der ewig Fremden prägten Aimées Erscheinungen auf der Leinwand: eine Ausstrahlung, die Vergleiche mit bald nach ihr berühmt gewordenen Stars wie Catherine Deneuve und Fanny Ardant nicht scheuen muss. Geboren wurde sie als Nicole Françoise Dreyfus 1932 in Paris, als Tochter eines Schauspielpaars. Schon während des Krieges legte sie den jüdischen Namen Dreyfus ab und wurde zu Françoise Durand. Mit 13 spielte sie zum ersten Mal in einem Film („La Maison sous la mer“, 1946), und zwar ein Mädchen namens Anouk. Bei Dreharbeiten zu einem weiteren, diesmal von Marcel Carné, gab ihr der Lyriker und Drehbuchautor Jacques Prévert den Nachnamen „Aimée“ (“die Geliebte“). Der Film wurde nie vollendet, doch „schenkte“ er ihr den Namen – sie nannte sich fortan Anouk Aimée.

O. W. Fischer: „Mademoiselle Aimée ist ein Wunder“

Schon ihre ersten Erfolge in den 1950er-Jahren waren auch internationale: Ronald Neame ließ sie im Abenteuerfilm „Der goldene Salamander“ neben Trevor Howard auftreten, der österreichische Schauspieler und Regisseur O.W. Fischer besetzte sie in „Ich suche dich“ als religiöse Kollegin eines zynischen Psychiaters (und sagte: „Mademoiselle Aimée ist ein Wunder“). Doch von ihren unzähligen Rollen bleiben jene aus den 1960ern besonders in Erinnerung. Federico Fellini nannte sie einmal die „beste Schauspielerin der Welt“ (nach seiner Frau Giulietta Masina). In seinem Film „La dolce vita“ (1961) ist sie eine reiche Erbin und die erste Frau, mit der der Frauenheld Marcello (gespielt von Marcello Mastroianni) die Nacht verbringt. Zwei Jahre später verkörperte sie in „Achteinhalb“ (1963) die Ehefrau der Hauptfigur, wieder an der Seite Mastroiannis. Mit ihm sollte sie Jahrzehnte später noch einmal in Robert Altmans Filmkomödie „Prêt a Porter“ zu sehen sein.

Prägender noch jedoch für ihre Karriere war die junge Frau Lola im Nouvelle-Vague-Film „Lola“ von Jacques Demy, erster Teil seiner „Romantischen Trilogie“ (vor „Die Regenschirme von Cherbourg“ und „Die Mädchen von Rochefort“). 1969 verkörperte sie die Lola noch einmal in Demys englischsprachigem Film „Model Shop“. In den USA drehte Anouk Aimée damals auch mit dem Regisseur Sidney Lumet im Film „The Appointment“, an der Seite von Omar Sharif (mit dem sie kurze Zeit auch liiert war). Bis 2019 folgten noch unzählige Rollen, und wie so viele französische Filmstars war Anouk Aimée auch auf der Theaterbühne sehr aktiv. Sie zählte nicht nur zu den schönsten Frauen des französischen Kinos, sondern mit ihrer Ausstrahlung einer ewig Fremden und ihrer Fähigkeit zur feinen Dosierung des Gefühls auch zu den besten.

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