Themenwoche „Zukunft der Mobilität“

Wir würden ja liebend gern im Zug kommen, allerdings …

(v.l.n.r.) Clemens Först, Julia Elsinger, Alexander Friesz, Sandra Stein und Moderator Jakob Zirm
(v.l.n.r.) Clemens Först, Julia Elsinger, Alexander Friesz, Sandra Stein und Moderator Jakob ZirmRoland RUDOLPH
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Güterverkehr. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen große Teile des Gütertransports auf die Bahn verlagert werden, doch es hakt auf vielen Ebenen.

Trotz jener Ziele für mehr Nachhaltigkeit, die sich Österreich und die EU gesetzt haben, findet die Mehrzahl der Gütertransporte nach wie vor auf der Straße statt und die Tonnagen steigen noch. Doch eigentlich soll der Verkehr bis zum Jahr 2050 in der Europäischen Union CO2-neutral werden, wobei die Bahn eine zentrale Rolle spielt. Die Frage ist, wie das noch gelingen kann und welche Maßnahmen dafür gesetzt werden müssen. Das erörterte Jakob Zirm, „Die Presse“, mit Julia Elsinger von der Abteilung für Güterverkehr im Bundesministerium für Klimaschutz, Sandra Stein, Leiterin der Forschungskoordination des Centers für Nachhaltige Produktion und Logistik bei Fraunhofer Austria, Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbands Spedition & Logistik und dem CEO der ÖBB Rail Cargo Group, Clemens Först.

Die Verlagerung von großen Teilen des Gütertransports auf die Schiene geht nur schleppend voran. Das bestätigt auch Sandra Stein: „Es gibt immer einen Nachholbedarf bei der Standardisierung und der Harmonisierung, gerade was den grenzüberschreitenden Güterverkehr betrifft. Dazu gehört die Erweiterung des europäischen Zugleitsystems. Es bedarf auch politischer Anreize oder Bestrafungen, je nachdem wie positiv oder negativ das CO2-Emissionsverhalten ist. Stichwort CO2-Bepreisung.“ Alle politischen Maßnahmen sind zahnlos, wenn es an der Infrastruktur mangelt. Derzeit ist vor allem das Schienennetz in Deutschland ein Flaschenhals. Clemens Först sieht in vielen Bereichen nicht nur die Gremien der EU am Zug. „Die deutsche Verkehrspolitik ist gefordert, entsprechend in die infrastrukturellen Voraussetzungen, Kapazitäten und Zugleitsysteme zu investieren.“

(Zu) viele Baustellen

Oft entstehe der Eindruck, dass bei der Organisation des europäischen Schienenverkehrs Chaos herrsche und es an grenzüberschreitender Koordination mangle. „Konkret stellt sich das Problem mit den Baustellen, die wir in den Jahren 2025 bis 2027 vor uns haben. Da werden die Strecken von München nach Salzburg und Passau teils ­total gesperrt. Gleichzeitig wird die Autobahn München-Salzburg durch ein großes Brückenbauprojekt vermutlich teilgesperrt, hinzu kommen die Sanierung der Brennerbrücken und der Umbau des Tauerntunnels, was für fünf Jahre einen einspurigen Verkehr Richtung Süden bedeutet. Wo soll der Verkehr noch laufen, wenn hier komplett unabgestimmt Baustellen eröffnet werden?“, bemängelt Alexander Friesz die mangelnde Abstimmung bei Bauprojekten.

Grundsätzlich würden sich die zuständigen deutschen und österreichischen Ministerien abstimmen, erklärt Julia Elsinger, es werde eine verkehrswegeübergreifende und internationale Koordi­nierungsstruktur aufgebaut. „Uns sind die Probleme bewusst. Der Ausbau der Schiene, der sechsjährige Rahmenplan in Österreich und die Ziele für 2040 sind vorbildlich und wir informieren unsere Nachbarn über einen extrem langen Zeitrahmen hinweg“, sagt Elsinger. „Das Instrument der sehr frühen Vorwarnung ist in anderen Ländern nicht gegeben.“ Clemens Först weiß aus der Praxis, dass vor allem Österreich und die Schweiz Musterländer sind, in denen über einen langen Zeitraum sehr konsistent investiert und Verkehrspolitik gemacht wird. „Diese Rahmenbedingungen finden wir in anderen Ländern nicht vor“, be­mängelt er und fordert, dass Vor­gaben wie der Green Deal überall national auch umgesetzt werden müssten.

In der Logistikbranche geht es um Verlässlichkeit, Geschwindigkeit und Flexibilität, wobei das System Schiene wesentlich komplexer zu managen ist als das System Straße. Moderne Technologie könne eine Lösung sein, ist Sandra Stein überzeugt. „Es gibt viele technologische Möglichkeiten, aber es braucht das nötige Geld für die Umsetzung nicht nur in Österreich, sondern europaweit.“

Stein glaubt, „die Kommission hat strategisch sehr wohl gute Vorstellungen davon, wohin es gehen soll. Es gibt technologische Lösungen wie das Physical Internet (ein offenes globales Logistiksystem, das auf physischer, digitaler und operativer Interkonnektivität durch Protokolle, Schnittstellen und Modularisierung basiert, Anm.), das die Kommission bis 2040 im Rahmen des Green Deal umgesetzt sehen möchte.“

Deshalb müssen sich Unternehmen und Kunden à la longue auch daran gewöhnen, dass der Gütertransport in Summe teurer wird. Stein: „Es ist an den Logistikdienstleistern, sich zu überlegen, welche Leistungen und Value Added Services in Zukunft angeboten werden können, um den Unternehmen und den Stakeholdern einen Mehrwert zu bieten. In 20 Jahren wird es nicht mehr reichen, als Frächter von A nach B zu fahren, sondern die Branche muss sich anpassen.“

Information

Dieser Inhalt wurde von der „Presse“-Redaktion in Unabhängigkeit gestaltet. Er wurde mit finanzieller Unterstützung der ÖBB Rail Cargo Group ermöglicht.

Alle Keynotes, Expertinnengespräche und Diskussionen zum Thementag „Mobilität der Zukunft“ sind nachzusehen unter diepresse.com/mobilität

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