Renaturierung

„Durchschaubares Spiel“: Dornauer kritisiert SPÖ-Parteifreunde und Gewessler

Der Tiroler SPÖ-Chef Dornauer spricht sich gegen die EU-Renaturierungspläne aus.
Der Tiroler SPÖ-Chef Dornauer spricht sich gegen die EU-Renaturierungspläne aus.APA / Max Slovencik
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Tirols SPÖ-Chef bemängelt Verhalten der Parteikollegen bei EU-Renaturierung – und erinnert Ministerin Gewessler daran, dass sie auf die Verfassung angelobt sei.

Doch nicht nur die Regierungsmannschaft der ÖVP fühlt sich übergangen; auch die Länder übten ein­mal mehr Kritik an den Grünen. Oberösterreichs Landeshauptmann, Thomas Stelzer (ÖVP), etwa richtete aus, dass Gewessler für ihn nicht mehr wirklich ministrabel sei, Stelzer bezeichnete sie als „Aktivistin“. Dennoch schloss er sich dem Kanzler bei der Einschätzung an, dass man die Koalition nicht beenden sollte. Die Grünen als möglicher Koalitionspartner nach den Nationalratswahlen seien für ihn – wenn überhaupt – nur ohne Gewessler überhaupt denkbar, so Stelzer.

Kein Gang zum VfGH

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bezeichnete es als „Treppenwitz der Geschichte“, dass Gewessler „im Alleingang einen Vertrag abschließt, den die Länder verantworten und bezahlen müssen“. Die Ministerin selbst trage kein Risiko, so Mikl-Leitner, „feiert sich aber als Heldin“. Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) erklärte auf „Presse“-Anfrage: „Dass eine Bundesministerin demokratische Entscheidungen, die in Österreich getroffen werden, beiseite wischt, ist nicht nur hochgradig bedenklich, sondern auch ein gefährliches Spiel mit geltendem Recht und unserer Demokratie.“

Allein: Obwohl die Länder die Ministerin derart hart kritisieren, deutet derzeit wenig darauf hin, dass die Angelegenheit auf deren Initiative hin vor dem Verfassungsgerichtshof landet. Rechtlich möglich wäre es: Der Verfassungsrechtler Christoph Bezemek erklärte jüngst, dass auf Antrag einer Landesregierung der Verfassungsgerichtshof eine Rechtsverletzung wegen Missachtung der einheitlichen Länderstellungnahme feststellen könnte. Ein Rundruf in den Ländern ergab, dass die Landesregierungen nicht vorhaben, den möglichen Gang zum Verfassungsgerichtshof anzutreten. Man sei ja schon der Ansicht, dass Gewessler einen Rechtsbruch begangenen habe, heißt es etwa aus einem Bundesland; daher müsse man nicht auch noch das Höchstgericht bemühen.

Doskozil: „Höchst bedauerlich“

Indes sorgt die Angelegenheit auch für Diskussionen innerhalb der Sozialdemokratie: Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer hat am Dienstag rund um die EU-Renaturierung seine Parteifreunde, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, kritisiert. Er verstehe nicht, dass es „plötzlich Usance“ sei, aus einem einstimmigen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz auszutreten, sagte Dornauer. Hintergrund: Der Schwenk der roten Landeschefs diente Gewessler als argumentative Grundlage für ihren Alleingang.

Anders als SPÖ-Chef Andreas Babler sprach sich Dornauer generell gegen das EU-Vorhaben aus. Ministerin Leonore Gewessler kritisierte er für deren „hämisches Lächeln nach dem Beschluss“. Gewessler solle sich erinnern, dass sie auf die Verfassung angelobt sei, so Dornauer.

Auf „Presse“-Anfrage erklärte auch Burgendlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, dass es sich beim Streit „vor allem um ein parteipolitisches Profilierungsduell im Vorfeld der Nationalratswahl“ handle. Der Konflikt hätte „in dieser Schärfe leicht vermieden werden können“, sagte Doskozil – der ebenfalls seinen Unmut über Michael Ludwig kundtut, ohne diesen explizit zu nennen: „Es ist höchst bedauerlich, dass durch diese unkoordinierte Vorgangsweise Beschlüsse der Landeshauptleute-Konferenz ad absurdum geführt werden.“

Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer hat am Dienstag rund um die EU-Renaturierung seine Parteifreunde, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, kritisiert. Anders als SPÖ-Bundesvorsitzender Andreas Babler sprach er sich gegen das Gesetz aus. Er verstehe nicht, dass es „plötzlich Usance“ sei, aus einem einstimmigen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz auszutreten, so Dornauer.

Das „ganze Spiel“ sei „seit Wochen durchschaubar und hoch parteipolitisch auf Wahlkampf ausgerichtet“, ortete der Landeshauptmannstellvertreter bei einem Pressegespräch in Innsbruck einen deutlichen Bezug zur geschlagenen EU-Wahl. „Möglicherweise auch seitens meiner Partei“, fügte der Tiroler SPÖ-Chef hinzu. Mit Ludwig und Kaiser habe er darüber aber nicht gesprochen, „weil ich sie nicht getroffen habe“. Wien und Kärnten hatten sich zuletzt vom Beschluss der LH-Konferenz distanziert und sich für das EU-Renaturierungsgesetz ausgesprochen. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte nicht zuletzt deshalb argumentiert, dass ihr eine – von der ÖVP nicht goutierte ­– Zustimmung dadurch rechtlich ermöglicht werde.

Kritik an Vorhaben

Dornauer zeigte sich mit dem EU-Gesetz nicht einverstanden. Man könne dem Renaturierungsgesetz in dieser Form – „wo die Nationalstaaten eben nur überschaubar noch Einfluss haben“ – nicht zustimmen. Auch an Gewessler ließ er kein gutes Haar und ärgerte sich über ihr „hämisches Lächeln nach dem Beschluss“: „Das ist ein Politikstil, den ich nie pflegen würde und auch nicht besonders wertschätze.“ Er erinnerte die Ministerin daran, dass sie auf die Verfassung angelobt sei.

Dass ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer am Montag die türkis-grüne Koalition nicht beendet hatte, begrüßte Dornauer indes. Ein freies Spiel der Kräfte im Parlament drei Monate vor einer entscheidenden Wahl könne den Steuerzahler immerhin „relativ viel Geld kosten“: „Ich weiß, wie engagiert unsere verdienten Parlamentarierinnen und Parlamentarier unter Wahlkampfvorzeichen sind.“

Auch der Koalitionspartner, Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP), begründete seine Ablehnung bei der Pressekonferenz zum Thema Katastrophenschutz mit der Beschneidung nationalstaatlicher Kompetenzen. „Es gehört viel mehr differenziert. Überall dort, wo es noch keine Lösung gibt, entscheidet die Kommission. Das ist nicht die föderale Struktur, wie wir sie in der EU erwarten“, sagte er. Sowohl Dornauer als auch Mattle empfanden es etwa als problematisch, dass alle Querbauwerke von Flüssen infrage gestellt würden - „ein großer Teil davon sind Geschiebebecken und Hochwasserschutzeinrichtungen“, betonte der Landeschef: „Einfach mit dem Kamm drüber fahren, geht nicht.“

„Konsequent auf der falschen Seite“

Scharfe Kritik an Dornauer übte indes in einer Reaktion Tirols Grünen-Landessprecher und Klubobmann Gebi Mair. Der Landeshauptmannstellvertreter würde „konsequent auf der falschen Seite“ stehen, die Tiroler SPÖ ihrem „Image als Betoniererpartei wieder mal alle Ehre“ machen. „Dornauer sollte sich bei seinen Parteifreunden in Wien und Kärnten erkundigen, wieso sie letztlich doch zur Vernunft gekommen sind und ihre Zustimmung zum Renaturierungsgesetz gegeben haben. So kann auch von einem einstimmigen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz keine Rede mehr sein“, meinte Mair in einer Aussendung.

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