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„Bin in Pause“: Warum wir uns nicht mehr anstrengen

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Woran man im Alltag erkennt, dass die Leistungsgesellschaft ein Auslaufmodell ist.

             

Gerhard Hofer
stv. Chefredakteur

Gerhard Hofer
 

Guten Morgen,

mir sind in den vergangenen Tagen zwei Sachen passiert, die ich unbedingt loswerden muss. Ich war mit meiner Frau in einem großen Elektronikgeschäft, um einen Steckdosen-Adapter für eine Reise zu kaufen. Also fragten wir einen Mitarbeiter, der gerade gelangweilt herumstand, wo wir diesen Adapter finden. Der Verkäufer reagierte anfangs nicht, also insistierte meine Frau. Worauf dieser nur knapp antwortete: „Bin in Pause.“ Wir haben nach einem kurzen Schock lachend das Geschäft verlassen und den Stecker woanders gekauft. Aber irgendwie denke ich mir, dass das eigentlich gar nicht zum Lachen ist. „Bin auf Pause“ könnte der Titel unserer schwindenden Leistungsgesellschaft sein.

Ich hatte am Wochenende das Vergnügen, Wolfgang Puck und seinen Sohn Byron zu treffen. Sie waren auf einen kurzen Abstecher in Österreich, bevor es wieder zurück nach Los Angeles in ihr Luxusrestaurant „Spago“ geht. Der gebürtige Kärntner Puck hat mir verraten, worauf es in seinem Metier ankommt. „Ich will, dass es für meine Gäste kein Nein gibt“, sagt er. Er und sein Team wollen also alles unternehmen, um die Kundenwünsche zu erfüllen Bevor er Anfang der 1980er Jahre sein Lokal eröffnete, hatte er in vielen Spitzenrestaurants gearbeitet. Eines Tages wollte ein Gast Pommes. Der Kellner habe darauf geantwortet: „Wenn Sie Pommes wollen, gehen Sie am besten rüber zum Burger-Laden.“ Die Gäste standen daraufhin auf - und gingen.

Ich glaube ja nicht, dass sich früher die Menschen mehr angestrengt haben als heute. Der große Ökonom und Nobelpreisträger Angus Deaton hat in seinem Buch „The Great Escape“ sehr eindrucksvoll beschrieben, warum die meisten ein bescheidenes, sicheres Leben in Gefangenschaft vorziehen und nur wenige den Ausbruch wagen. Wie in dem Hollywood-Kriegsfilm „Gesprengte Ketten“ schaffen nur eine Handvoll den Weg in die Freiheit - die Mehrheit blickt ihnen neidvoll nach. Mittlerweile ist es eine Gefangenschaft in einer unheilvollen Bequemlichkeit. Der Sozialstaat bietet ein gemütliches Drei-Sterne-Service - leider zum Preise eines Fünf-Sterne-Schuppens.

Warum wollen wir uns nicht (mehr) anstrengen? Liegt es am viel gescholtenen Bildungssystem? Experten an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg haben nun die „wissenschaftliche Denkfähigkeit“ von Sechs- bis Zehnjährigen erforscht. Ergebnis: „Die Kinder von reflektierten, gebildeten Eltern haben sowohl vor als auch nach ihrer Grundschulzeit besonders gut abgeschnitten“, berichtete die „Welt am Sonntag“. „Die Grundschule scheint die Startbedingungen im Elternhaus nur sehr bedingt ausgleichen zu können“, wird einer der Wissenschaftler zitiert. Manchmal braucht es Wissenschaftler, damit man das auszusprechen wagt, was man ohnehin längst vermutet hat. Wobei ich meine, dass „reflektiert“ nicht unbedingt an der Bildung hängt.

Mir bleibt nur noch, einen guten Start in die neue Woche zu wünschen.

Es grüßt Sie sehr herzlich,

Gerhard Hofer

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