Interview

„Tiefenbohrung in die Tradition“: Drei Fragen an Milo Rau

Vor einem Schild seiner „Freien Republik Wien“: Festwochen-Intendant Milo Rau.
Vor einem Schild seiner „Freien Republik Wien“: Festwochen-Intendant Milo Rau.APA / Tobias Steinmaurer
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Viel Lob für die Kulturstadt Wien – und eine Anmerkung zu Currentzis-Lyniv-Debatte: Festwochenintendant Milo Rau im Mini-Interview über seine erste Saison.

Was hat Sie in Wien positiv überrascht?

Die extreme Offenheit des Publikums, der Stadt überhaupt: Alle Formate, Stücke, Diskursangebote, die Freie Republik und ihre Institutionen von der Rede an Europa über den Rat bis zu den Prozessen oder der Akademie Zweite Moderne wurden breit diskutiert, besucht, kritisiert, mitentwickelt. Ich glaube nicht, dass es eine andere Stadt in Europa gibt, die so kunst- und diskursaffin ist, jedenfalls kenne ich keine.

Welche Fehler haben Sie bei Ihren ersten Festwochen gemacht?

Viele… aber alle haben uns weitergebracht: Zum Beispiel waren wir beim neu eingeführten Musikprogramm noch zu vorsichtig – da geht viel mehr, rein von der Menge her. Bei der Currentzis-Lyniv-Debatte haben wir die Nähe Wiens zu Osteuropa, konkret zum Ukraine-Konflikt wohl unterschätzt. Aber wir haben Dutzende Türen aufgestoßen, in diesem Fall konkret zur ukrainischen und überhaupt osteuropäischen Community..

Wie werden Sie künftig auch bürgerliche und/oder konservative Wienerinnen und Wiener gewinnen?

Mit dem Slogan „Vorwärts in die Vergangenheit, zurück in die Zukunft“ haben wir ja bereits einen Schwenk zu klassischer Musik und Sprechtheater gemacht. Wir haben eine Akademie mit dem Arnold-Schönberg-Zentrum gegründet, sind auf den Musikverein und das Konzerthaus zugegangen, und von Brook bis Jelinek haben wir ein im besten Sinn konservatives Publikum angesprochen, aber auch herausgefordert. Nirgends gibt es eine höhere Sensibilität für Theater- und Musikgeschichte als in Wien. Diese Tiefenbohrung in die Tradition setzen wir nächstes Jahr fort, gemäß der Devise: Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.

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