Nachruf

Feuerkopf der No Wave: James Chance ist tot

Cover von James White and the Blacks, „Off White“ (1979).
Cover von James White and the Blacks, „Off White“ (1979).Wikipedia
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Er mischte Punk und Jazz, als das neu, cool und heiß zugleich war, Ende der 1970er-Jahre. Nun ist James Siegfried 71-jährig in New York gestorben.

Niemand klang so sehr nach New York wie er. Das heißt: nach dem New York, wie es sich die Popkultur Anfang der 1980er-Jahre vorstellte. Nach Straßenkriminalität und Loft-Partys, nach schnellen Drogen und weißem Rauschen. Und wilden Saxofonen natürlich. Nach der Synthese von Freejazz (in der schroffen Spielart von Ornette Coleman, nicht der hymnischen Spiritualität von John Coltrane) und Punk (respektive New Wave), die ab 1977 in der Luft lag. James Siegfried aus Milwaukee, 1975 nach New York gezogen, vollzog sie.

Schon in der heimatlichen Großstadt hatte er sich den Nachnamen Chance gegeben und in einer Band namens Death gespielt, in der Metropole gründete er zuerst ein Instrumentalquartett namens Flaming Youth, dann – gemeinsam mit der noch wilderen Lydia Lunch – Teenage Jesus and The Jerks. Diese verließ er rasch wieder – es waren schnelle Zeiten –, um The Contortions zu formieren. Die bald James White and The Blacks hießen: Unter diesem Logo erschien 1979 „Off White“, ein bleibendes Fanal der puren Erregung. Zugleich des Musikstils, den man – in naheliegender Variation der damals noch sehr frischen New Wave – No Wave nannte. Im Grunde war es völlig neurotisierter Funk, konsequent von jeder Gemütsruhe befreit. James Siegfried/White/Chance quietschte, schrie mit brüchiger Stimme. „Contort Yourself“ hieß der Anreißer. In „Stained Sheets“ stöhnte Lydia Lunch.

Das Vorbild von John Lurie

Auf dem Cover sah man James White im weißen Smoking, mit schmalster Krawatte und arrogantem Blick zur Seite. Diesen Stil habe der – mit seinen Lounge Lizards bald erfolgreichere – John Lurie von ihm übernommen, erzählte James Chance einmal der „Presse“. Lurie bestieg bald ein zweites Vehikel zum Weltruhm: als cooler Typ in den frühen Filmen von Jim Jarmusch. Das war James Chance nicht vergönnt. Er machte ein zweites eindringliches Album, “Sax Maniac“ (1979), dann verlor das Saxofon, das inzwischen in jeder Getränkewerbung vorkam, allmählich das Image als erste Geige der Coolness.

In der reinen Jazzszene, in der sich James Chance fortan meist aufhielt, machte das nichts. Er blieb aktiv, veröffentlichte Alben mit sprechenden Namen wie „Molotov Cocktail Lounge“. Zum letzten Mal war er in Wien 2016 doch wieder in punkaffinem Gelände zu sehen: im Chelsea, wo er unter anderem „Home Is Where The Hatred Is“ von Gil Scott-Heron zugleich zelebrierte und zerstörte. Gesundheitlich war es ihm in den letzten Jahren schon nicht mehr gut gegangen, nun ist James Siegfried 71-jährig in seiner Wahlheimat New York gestorben.

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