Gesundheit

Wie die Ärztekammer Ordinationen stärken will

Alle niedergelassenen Ärzte sollen in ihren Ordinationen Medikamente abgeben dürfen, fordert die Österreichische Ärztekammer.
Alle niedergelassenen Ärzte sollen in ihren Ordinationen Medikamente abgeben dürfen, fordert die Österreichische Ärztekammer.Picturedesk
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Kurz vor der nächsten Sitzung zur Umsetzung der Gesundheitsreform präsentiert die Österreichische Ärztekammer ihre Forderungen. Es geht um Geld, Kompetenzen, Digitalisierung und Bürokratie.

Das Etablieren eines bereits fertigen, österreichweit einheitlichen Leistungskatalogs durch mehr Geld seitens der Sozialversicherung. Ein Startbonus von 100.000 Euro für alle Ärzte, die eine offene Kassenstelle annehmen. Investitionen in die sogenannte nationale Gesundheitstelematik-Infrastruktur (GTI) in Form einer „E-Health-Milliarde“ mit dem flächendeckenden Ausbau von Anwendersoftware als Basis für den Einsatz von Telemedizin. Verbesserungen bei der Elektronischen Gesundheitsakte Elga, damit sie für Ärzte übersichtlicher wird. Die Übernahme der Kosten für alle im nationalen Impfprogramm vorgesehenen Impfungen. Und das Recht auf Medikamentenabgabe für alle Ärzte.

Das sind die wichtigsten Forderungen der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) im Vorfeld der Sitzung der Bundeszielsteuerungskommission Ende Juni. In dieser Kommission, in der die Ärztekammer nicht mehr vertreten ist, wird die jüngste Gesundheitsreform umgesetzt. Bund, Länder und Sozialversicherung teilen also die Mittel auf, mit denen das Gesundheitssystem in den nächsten Jahren finanziert wird.

300 Millionen zu wenig

„Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr geht. An diesem Punkt befinden wir uns jetzt“, sagte Johannes Steinhart, Präsident der ÖÄK, am Mittwoch vor Journalisten. „Mehr als 250 Kassenstellen sind derzeit unbesetzt, wobei die Besetzung immer schwieriger wird. Die Wartezeiten – das haben wir in Wien unlängst untersuchen lassen – erhöhten sich in den vergangenen zwölf Jahren merklich.“ Dass der niedergelassene Bereich überhaupt noch funktioniere, sei der „Selbstausbeutung“ vieler Ärzte geschuldet. Den aktuellen Zahlen der Statistik Austria zufolge sind die Gesundheitsausgaben 2023 im Vergleich zu 2022 zwar gestiegen – bei einer Steigerung von 4,8 Prozent und einer gleichzeitigen durchschnittlichen Inflation von 7,8 Prozent stehe unterm Strich aber erneut eine Unterfinanzierung, sagt Dietmar Bayer, stellvertretender Obmann der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte. „Im Zuge der Gesundheitsreform muss hier gegengesteuert werden: Die vorgesehenen 300 Millionen sind zu wenig, das hat auch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) bereits festgestellt – der einheitliche Leistungskatalog wird sich so nicht finanzieren lassen.“

Auf Defizite im Impfprogramm weist Naghme Kamaleyan-Schmied hin, stellvertretende Obfrau der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte. Oberste Priorität müssten jetzt die Impfungen gegen RSV und Keuchhusten haben: „In einem Land wie Österreich darf es nicht vorkommen, dass Säuglinge an Keuchhusten sterben“, sagt die Wiener Hausärztin. Die alle zehn Jahre notwendige Auffrischung der Vierfach-Impfung gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung und Keuchhusten müsse daher kostenlos angeboten werden. Die kostenlose Immunisierung von Säuglingen gegen das RSV-Virus gebe es in anderen Ländern bereits, „nur Österreich schläft in der Pendeluhr“, so Kamaleyan-Schmied. Neben Herpes Zoster fordert sie auch einen kostenfreien Zugang zur Impfung gegen Pneumokokken für Risikopatienten. Das alles könne aber nur der erste Schritt sein: „Wir müssen an den Punkt kommen, an dem alle im nationalen Impfplan empfohlenen Impfungen kostenfrei angeboten werden.“ Auch alle Testungen (etwa bei Covid-19) in den Ordinationen sollten als Kassenleistungen verfügbar sein.

Prävention und Beratung

Darüber hinaus müsse die Arbeit in Praxen entbürokratisiert werden: „Die Erleichterung der Medikamentenbewilligung, die Honorierung von Nacharbeiten und administrativer Tätigkeiten etwa in Pflegeheimen sowie der Entfall der Chefarztpflicht wären wichtige Verbesserungen“, sagt Kamaleyan-Schmied. „Zudem muss die Zuwendungsmedizin unlimitiert honoriert werden. Wir wollen Patienten nicht schnellstmöglich durchschleusen, sondern mit ihnen gemeinsam an ihrer Gesundheit arbeiten, das umfasst auch präventive Maßnahmen und Beratungen.“

Nicht zuletzt wäre es eine große Hilfe, wenn das Dispensierrecht, also das Recht zur Medikamentenabgabe, für alle Ärzte kommen würde, sagt Kamaleyan-Schmied, die selbst bis 19 Uhr Patienten empfängt. „Da machen die meisten Apotheken zu. Ich habe also einen Patienten vor mir, der dringend ein Medikament benötigt. Ich darf es ihm aber nicht geben. Das heißt, dass sich ein kranker Mensch nun gezwungen sieht, sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auf die Suche nach der nächsten Nachtapotheke zu machen.“ Das habe mit medizinischer Versorgung im 21. Jahrhundert nichts zu tun. „Ich kann nicht verstehen, warum die Politik sich der Lobbyarbeit der Apothekerkammer beugt. Mit dem Dispensierrecht gebe ich dem Patienten sein Medikament einfach mit, er fährt damit nach Hause und kuriert sich aus, wie es sich gehört.“

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