Mein Freitag

Querlüften und Kippen als Höhepunkt der Zivilisation

So gute Fenster wie das hier kennt man nicht allerorts.
So gute Fenster wie das hier kennt man nicht allerorts.ullstein bild
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Bei den häuslichen Ventilationsmethoden hat Dilettantismus nun wirklich keinen Platz. Oder?

Ich gebe zu, ich habe eine gewisse Neigung zum Lüften. Und ich mag alle Techniken, Stoßlüften, Querlüften, Dauerlüften, je nach Luft und Laune. Und natürlich je nach Temperatur, denn die große Herausforderung dieser Jahreszeit ist es ja, die Innenräume halbwegs kühl zu halten. Ja, ich ernte verunsicherte bis verwirrte Blicke, wenn ich die Familienmitglieder morgens auf die Lüfttechnik des Tages einschwöre, den Niedergang der Rollos zeitlich festlege und Blockabfertigung beim Verlassen des Hauses nach 29 Grad Celsius einfordere. Aber das ist es allemal wert.

Die kulturpolitische Dimension der häuslichen Ventilationsmaßnahmen hat mich bisher eher wenig beschäftigt. Bis ich vom deutschen Feuilleton darauf aufmerksam gemacht wurde, dass „das deutsche Kippfenster“ eine Sache ist, die international, vor allem aber in den USA, für große Verwunderung sorgt. Und als Zeichen fortgeschrittener Zivilisation auch immer wieder in den Höchsten Tönen gelobt wird. Wer freilich in den sozialen Medien mal nach den „German Windows“ sucht, stößt auch auf Verwirrung. „Ich habe ein paar Minuten gebraucht, um das zu verstehen“, schreiben dann manche über eine die Anleitung, wie der Fenstergriff zu drehen ist und was dabei passiert. „This puzzles, confuses and enrages Americans“ lautet darunter. Begleitet von vielen Statements der Kategorie WTF und konsternierten Smileys. Wozu braucht man das, wenn es doch Ventilatoren gibt, fragen manche. Oder Klimaanlagen, werfen andere ein. Und wieder andere argumentieren recht abwertend, dass das doch eine seltsame Obsession sei, die man in Europa beim Thema Frischluft pflege.

„Sieht cool aus, scheint aber unpraktisch“, ist der Kommentar, der mich letztendlich aus der Bahn wirft. Ein wenig, zumindest. Sind doch beide Behauptungen völliger Unsinn. „Sollte noch einmal reflektiert werden“, möchte ich antworten. Oder besser, wie es in einer jugendsprachlichen Redewendung in solchen Fällen heißt: „Mach mal Fenster auf Kipp“. Nur gibt‘s dafür leider keine Übersetzung.

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