Fußball-EM

Von Hitler bis Hertha: Das Olympiastadion in Berlin

Deutschlands monumentalstes Fußballstadion: Hier spielt Österreich zwei Mal, hier steigt am 15. Juli auch das EM-Finale.
Deutschlands monumentalstes Fußballstadion: Hier spielt Österreich zwei Mal, hier steigt am 15. Juli auch das EM-Finale.APA / APA / Georg Hochmuth
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Wenn das ÖFB-Team heute im Berlin Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf gegen Polen spielt, läuft auch dunkle Geschichte einher. Die Laufbahn erinnert an das Happel-Mahnmal.

Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, skandierten Österreichs Fans nach dem 0:1 gegen Frankreich in Düsseldorf lauthals. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wird die ÖFB ab heute im Rahmen der EM gegen Polen und die Niederlande ihr Glück versuchen. Am 14. Juli steigt hier auch das Endspiel, in der deutschen Hauptstadt fanden bereits das WM-Finale 2006 oder das Champions-League-Endspiel 2015 statt. Das DFB-Cupsieger wird hier gekrönt in der größten Arena Deutschlands, in der Hertha BSC ihr Zuhause hat. Allerdings ist diese Heimstätte historisch belastet.

Errichtet wurde das Stadion für die Sommerspiele 1936, die Adolf Hitler als Propaganda nützte. Es läuft zwar derzeit eine Ausstellung unter dem Namen „Fußball im Nationalsozialismus“, dennoch ist die Rolle der Arena in der Nazi-Zeit aus dem Bewusstsein vieler verschwunden.

Propaganda für Hitler

Für Historiker Matthias Marschik ist das ein höchst bedauernswerter Umstand: „Das Olympiastadion wurde nicht zuletzt durch zahlreiche Umbauten entpolitisiert, hat aber für bestimmte Kreise weiterhin eine gewisse Ausstrahlung. Man versucht natürlich, es aus der politischen Konnotation zu holen, doch das gelingt nur zum Teil.“

Ein verklärtes Ereignis mit Österreich-Bezug fand am 22. Juni 1941 hier statt, an jenem Tag, an dem der Feldzug gegen die Sowjetunion startete. Rapid krönte sich vor über 80.000 Zuschauern mit 4:3 gegen Schalke zum deutschen Meister. Franz „Bimbo“ Binder schoss drei Tore. Diese Partie wurde des Öfteren als Symbol der Auflehnung gegen Nazi-Deutschland interpretiert, was laut Marschik jedoch so nicht ganz zutreffe. „Dass der Wiener Fußball versucht hat, gegen die Verpreußung Stellung zu nehmen, ist offensichtlich. Ich würde das aber dezidiert nicht als Aufstand gegen das NS-Regime bezeichnen, sondern als Resistenz gegen diese Verpreußung.“

Offen zur Schau gestellt wurde Österreichs Abneigung gegen Nazi-Deutschland im Vorfeld von Olympia 1936. Die Sport- und Turnfront hatte als Sport-Dachverband des „Ständestaates“ einen Boykott der Berlin-Spiele angekündigt. Es kam doch anders: Österreich stellte mit 176 Athleten das siebentgrößte Team.

Von Jesse Owens zur Hertha

Olympia 1936 entwickelte sich zum Propaganda-Triumph auf ganzer Linie. „Olympia war sicher ein Erfolg, weil es gelungen ist, die vielen Einsprüche vor allem von US-Seite zu kalmieren“, erklärte Marschik. Etliche Länder, vor allem Amerika, hatten ursprünglich einen Boykott erwogen, die USA stellten dann aber mit 310 Startern – allen voran Jesse Owens – die meisten Teilnehmer nach Deutschland (348).

Der Imagepflege des Regime dienten nach den Angaben des Historikers auch die vielen wohlwollenden Korrespondenten-Berichte: „Olympia 1936 wurde positiv in den internationalen Medien rezipiert.“ Die TV-Bilder von Regisseurin Leni Riefenstahl verfehlten ebenfalls nicht ihre Wirkung. Es warf alles einen neuen Blick „auf den Sport und seine Inszenierung“, und es „war eine unglaubliche Perfektionierung dessen, was wir heute schon gewohnt sind. Die Blicke, die Riefenstahl auf Politik und Sport geworfen hat, waren neu und anders. Eine Inszenierung, die sicher viele Menschen begeistert hat.“

Platz für 71.000 Zuschauer

In der Gegenwart dient das Stadion, wunderbar mit der S-Bahn zu erreichen, Hertha als Heim. Es ist eines von fünf EM-Stadien, in denen ein Zweitligist seine Partien bestreitet. 71.000 Zuschauer sind bei der EM zugelassen, die rechtzeitige Anreise ist empfehlenswert.

Wer sich im Inneren umblickt, entdeckt einen Mix aus Vergangenheit und Moderne. Und sieht eine blaue Laufbahn, die der im Wiener Happel-Mahnmal – dessen Abriss ebenso ausgeschlossen ist wie der in Berlin – ähnelt. Die Distanz ist größer, der Fußball wirkt ferner. Doch der Torjubel ist in Berlin so nah.

(apa/fin)

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