Geschichtsdaten sollen in Florida und Texas zwar gelehrt werden, nicht jedoch die systemischen Grundlagen. Unterrichten Lehrende etwa die Mechanismen von antisemitischer Indoktrinierung, müssen sie eine Verurteilung und ihre Entlassung befürchten.
Als Writer in Residence der Max Kade Foundation bin ich von Jänner bis Ende April an der Bowling Green State University in Ohio. Ich unterrichte ein Seminar in kreativem Schreiben und zeitgenössischer deutschsprachiger Literatur, halte Lesungen und Talks und arbeite an meinem Romanmanuskript.
In dieser Funktion wurden mir in den vergangenen Monaten unzählige Wissenschafter:innen und Lehrende aus verschiedenen Bundesstaaten vorgestellt, und nach einem kurzen Austausch über mein Schreiben und meinen Aufenthalt in Bowling Green folgte ein Austausch zwischen den US-Kolleg:innen, ein kurzes oder längeres Update, dem ich jedes Mal mit aufmerksamen Ohren zugehört habe. Die Sprachinstitute, einst an vielen Universitäten ein großer und geschätzter Faktor, schrumpfen überall. Oder besser: werden geschrumpft.
Es gibt weniger Finanzierung, weniger Förderungen, weniger Stellen. Institute werden mit anderen Instituten zusammengelegt, man sucht händeringend nach Argumentationen, warum man das eigene Department sollte behalten können. Meist jedoch wird schon prophylaktisch über Vorschläge für neue, zusammengelegte Curricula nachgedacht, bei denen man glaubt, davon ausgehen zu können, nicht allzu viel vom eigenen Budget zu verlieren. Oder, denn darum geht es eigentlich: nicht komplett aufgelöst zu werden.
Die Sprachwissenschaft als Orchideenfach
Die Sprachwissenschaft und die Literaturwissenschaft werden zunehmend als Orchideenfächer gesehen und dementsprechend behandelt. Der Fokus liegt nicht darauf, durch das Lernen und Ergründen neuer Sprachen andere Blickwinkel einzunehmen, mit verschiedenen Schulen das Denken zu fördern und eigene, kritische Positionen zu entwickeln, sondern auf der Verortung und Verwertung dieses Wissens innerhalb eines ökonomischen Marktes.