Nachhaltigkeit

ESG: Es grünt so grün, wenn die Mieter mit ziehen

Auf nachhaltige Bauweise und Architektur folgt nicht zwingend nachhaltige Nutzung von Gebäuden.
Auf nachhaltige Bauweise und Architektur folgt nicht zwingend nachhaltige Nutzung von Gebäuden.Getty Images
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Bauherren und Projektentwickler legen mit ausgeklügelter Bauweise und Haustechnik den Grundstein für die nachhaltige Nutzung von Gebäuden. Können sie aber auch die Mieter dazu verpflichten, diese entsprechend zu nutzen?

Der Gebäudesektor ist neben dem Verkehr einer der großen Hebel für die Erreichung der Klimaziele. Über den gesamten Lebenszyklus – vom Bau über die Nutzung bis zum etwaigen Abbruch – verbrauchen Immobilien erhebliche Mengen an Ressourcen und stoßen dabei jede Menge Schadstoffe aus. So sind circa 40 Prozent des CO2-Ausstoßes auf den Gebäudesektor zurückzuführen. Rund ein Drittel des Endenergieverbrauchs in Österreich entfallen auf Raumwärme und Warmwasser.

Um die negativen Auswirkungen auf Klima und Umwelt zu reduzieren, schreiben Bauherren – teils getrieben durch entsprechende Vorgaben – mittlerweile nachhaltige Planung, Bauweise sowie ebensolche Materialien und nicht zuletzt Haustechnik groß. Einfluss darauf, dass die Mieter die Wohnung dann auch so nutzen, dass Ressourcen geschont und der CO2-Ausstoß verringert wird, haben Vermieter allerdings nicht. Denn Mieter haben zwar bestimmte Pflichten: die Miete pünktlich und in voller Höhe zu überweisen, Rücksicht auf andere Bewohner zu nehmen, gewisse Maßnahmen des Vermieters zu dulden und mit dem Mietgegenstand sorgsam umzugehen.

Vermieter haben wenig Einfluss

Aber: „Ich kann ihm im Mietvertrag nicht vorschreiben, dass er beispielsweise trotz kontrollierter Wohnraumlüftung nicht die Fenster öffnen oder nächtelang in allen Räumen das Licht brennen lassen soll – außer, er schädigt mit seinem Verhalten die Substanz oder belästigt damit andere Mieter arg“, sagt dazu Martin Prunbauer, Präsident des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes (ÖHGB). Auch auf die Häufigkeit und Dauer der Duscheinheiten oder die Temperatur in der Wohnung kann der Vermieter keinen Einfluss nehmen. „Was das betrifft, hat der Vermieter keine Möglichkeit, diese durchzusetzen“, sagt Prunbauer. In der Regel fehle diesem ja auch der Einblick über den Verbrauch von Strom, Gas oder Wasser in den einzelnen Wohnungen, da die Kosten dafür als Betriebskosten vom Mieter getragen werden.

Empfehlungen, wie die Wohnung zum Vorteil von Umwelt und Börserl der Mieter intelligent genutzt werden könne, geben Vermieter dennoch immer wieder. In Handbüchern, die von vielen Bauträgern meist bei der Übergabe von Neubauwohnungen ausgehändigt werden, erfahren Mieter auch Wissenswertes über den Umgang mit der eingebauten Haustechnik und die Nutzung der neuen Wohnung. „Ob das dann auch eingehalten wird, kann aber niemand kontrollieren“, sagt Prunbauer.

Gewerbliche Mieter machen Druck

Ein wenig anders stellt sich die Situation im Bereich der Gewerbeimmobilien dar: „Eigentlich sind es die Mieter, die die Nachhaltigkeit forcieren“, sagt Andreas Ridder, Geschäftsführer der CBRE in Österreich. Denn viele von ihnen seien verpflichtet, ESG-Reports vorzulegen beziehungsweise der EU-Taxonomie zu entsprechen. „Sie treiben mit ihren Forderungen nach grünem Strom und anderen Nachhaltigkeitsaspekten die Vermieter vor sich her“, so Ridder.

Nachhaltige Vereinbarungen

Festgehalten wird das in nachhaltigen Vereinbarungen, sogenannten „Green Leases“. „Diese haben für uns große Bedeutung“, sagt Alina Dekas, Head of Asset Management der ARE Austrian Real Estate. Die praktische Umsetzung hänge von der jeweiligen Assetklasse, dem Gebäudezustand oder der Nutzung ab. „Aus diesem Grund sind solche Vereinbarungen in den meisten Fällen objekt- und standortspezifisch. Das umfasst beispielsweise Bereiche des Energiemonitorings, die Versorgung aus alternativer Energiegewinnung wie PV-Anlagen oder Erdwärme sowie technische Maßnahmen zur Energieeinsparung“, so Dekas.

Anregungen für die Ausgestaltung von Green Leases können sich Vermieter und Mieter gewerblicher Immobilien zum Beispiel im Handbuch „Green Lease 2.0 – vom grünen Mietvertrag zum ESG Lease“ holen, das der deutsche Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) gemeinsam mit Freshfields Bruckhaus Deringer neu aufgelegt hat. Darin werden neue Entwicklungen, „Best Practices“ und gesetzliche Anforderungen an Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit für gewerbliche Immobilienmietverträge im Detail aufgezeigt.

„Die Immobilienbranche hat längst verinnerlicht, dass sie eine Schlüsselrolle beim Reduzieren des ökologischen Fußabdrucks spielt“, sagt ZIA-Hauptgeschäftsführerin Aygül Özkan. Und so finden sich in dem Leitfaden sowohl bewährte Vertragsklauseln, etwa zum Datenaustausch bei Verbrauchsdaten, aber auch Formulierungen für gemeinsame Einsparziele und die Förderung nachhaltiger Energiequellen, Empfehlungen zur Einführung von Umweltstandards, insbesondere bei Baumaßnahmen sowie praktische Ratschläge zur Umsetzung zusätzlicher ökologischer und sozialer Standards für nachhaltigere Immobilien. Ziel sei es, den Vertragsparteien ein Rüstzeug in die Hand zu geben, um ihren eigenen, maßgeschneiderten Green Lease oder ESG-Lease individuell nach den eigenen Bedürfnissen „komponieren“ können.

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