Israel bringt nicht nur den Verbündeten USA gegen sich auf, sondern inzwischen auch die Armee. Der Premier sollte eine Regierung der nationalen Einheit bilden – oder den Weg zu Neuwahlen freigeben. Gefragt ist ein staatsmännischer Akt.
Keine zwei oder drei Stunden brauchte es, bis Benjamin Netanjahu neulich zu den befreiten Geiseln nach Tel Aviv eilte, um sich an ihrer Seite zu präsentieren. Lang, viel zu lang hat es indessen gedauert, bis sich der israelische Premier mit Familien toter Geiseln traf. 257 Tage hat sich er um die sicherlich diffizile Aufgabe gedrückt, den Angehörigen der Opfer des Hamas-Terrors von Angesicht zu Angesicht zu kondolieren – wenngleich er weiterhin keine Mitverantwortung eingestehen wollte für das Versagen der viel gerühmten Sicherheitsdienste, wie dies führende Militärs vorexerziert haben. Am Donnerstag stellte er sich endlich der traurigen Pflicht. Zu der bitteren Realität gehört auch, dass vermutlich kaum noch 50 Geiseln am Leben sind.