Medizin

Bluthochdruck bringt die Kommunikation im Herz durcheinander

Wenn man sonst wenig Sport macht und sich dann stark aufregt, kann das Herz in Stress geraten.
Wenn man sonst wenig Sport macht und sich dann stark aufregt, kann das Herz in Stress geraten.Getty/Eleganza
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Senka Holzer legt einzelne Herzzellen unter moderne Mikroskope: Sie sucht Signalwege, über die der Zellkern die Information erhält, dass Stress vorliegt. Auf bisher unerkannte Weise werden dort Gene im Herz neu programmiert.

Die Kollegen sagen oft zu Senka Holzer: „Wenn du ins Mikroskop schaust, siehst du aus wie ein kleines Kind, das sein Lieblingsspielzeug unterm Christbaum entdeckt.“ Das erzählt Holzer lachend, die diese Woche einen der begehrten Start-Preise des FWF erhalten hat. Geboren in Serbien in den 1980er-Jahren, kennt Holzer viele Auf und Abs: „Mein Team hat die serbische Meisterschaft in Tischtennis gewonnen. Außerdem konnte ich mit 13 Jahren an den Staatsmeisterschaften im Schulfach Chemie teilnehmen. Aber ich habe auch drei Kriege erlebt, mit vielen Entbehrungen.“

Nach dem Biochemiestudium in Novi Sad bewarb sich Holzer in Graz für ein Doktorat an der Pharmakologie. „Mein Gegenkandidat war ein Kärntner. Ich war überrascht, wie süß der war, obwohl ich bei der Stelle an der Med-Uni Graz gegen ihn gewinnen wollte.“ Die Pharmakologie-Stelle bekam dieser Michael Holzer. Doch der Chef der Kardiologie war von der Präsentation so begeistert, dass er Senka Ljubojevic (ihr Mädchenname) fragte, ob sie in seiner Gruppe dem PhD-Programm „Molekulare Medizin“ beitreten wollte. „Der Rest ist Geschichte: Michael, mein Gegenkandidat, ist heute mein Ehemann, und ich bin eine Spezialistin für Herzzellen und Herzschwäche geworden.“

Serbien, Graz, Kalifornien

Auch eine lange Karenzzeit, in der sie zwei Kinder bekam, tat Holzers Forschungskarriere keinen Abbruch. Zuerst ging sie nach dem PhD an die University of California in Davis, wo sie lernte, wie man die Zellkommunikation im Herzgewebe sichtbar macht. Beim Weltstar der Herzphysiologie, Donald Bers, war sie anfangs überrascht, wie viele Postdocs in dem Labor arbeiteten. Doch in dem großen Team gelang ihr vieles: „Die Zeit in Kalifornien war für mich eine der transformativsten Erfahrungen, sowohl persönlich als auch beruflich. Ich habe Fortschritte in meiner Forschung gemacht, neue Techniken erlernt, Freunde fürs Leben gefunden, und ich habe gelernt, die Dinge mit einem offeneren Geist zu betrachten.“

Ihr Forschungsgebiet beschreibt Holzer so: „Unser Herz ist sehr widerstandsfähig und gibt nicht von heute auf morgen auf. Wenn es Stress ausgesetzt ist, muss sich das Herz mehr anstrengen, um die gleiche Leistung zu erbringen. Tritt dieser Stress kurzfristig auf, kann ein gesundes Herz das problemlos ausgleichen. Wird der Stress jedoch chronisch, wie z. B. bei Bluthochdruck, führt das langfristig zu Problemen.“ Denn in den Herzzellen werden molekulare Strukturen umgestaltet und die DNA neu programmiert. Diese Umbauarbeiten schwächen das Herz.

Wann ist es zu viel Stress?

„Meine Forschung will die molekularen Grundlagen dieser Anpassung des Herzens an Stress verstehen. Wie viel Stress ist zu viel und warum?“, sagt Holzer. Dazu setzt sie bildgebende Verfahren ein, die sie – wenn nötig – umbaut und anpasst: „Einige Techniken haben wir selbst entwickelt, um die bisherigen Einschränkungen zu überwinden, die es nicht erlaubt haben, auch in die kleinsten Zellregionen hineinzusehen.“

»Unser Herz ist sehr
widerstandsfähig und gibt nicht von heute auf morgen auf. «

Senka Holzer,

Med-Uni Graz, Start-Preisträgerin

Denn die Region, auf die sich Holzer konzentriert, ist nur wenige Mikrometer breit und liegt zwischen den Mitochondrien und dem Zellkern. Die Mitochondrien sind die Energiekraftwerke der Zelle, und man weiß, dass sie bei Erschöpfung Signale aussenden. Das können freie Radikale und andere Stoffwechselprodukte sein, die bei einer gesunden und glücklichen Herzzelle nicht ausgeschüttet werden.

Der ungesunde Lebensstil

„Wir wissen aber bisher noch nicht, wie diese Signale im Zellkern ankommen“, sagt Holzer. Wie erkennt das genetische Programm, dass etwas nicht stimmt? Wie werden die Umbauarbeiten an den DNA-Strängen gestartet und kontrolliert? „Ich beschäftige mich auch mit den Menschen, die Bluthochdruck haben. Manche denken, es reicht, die Medikamente einzunehmen. Doch auch mit Behandlung ist es für das Herz schädigend, wenn dauernd der Blutdruck erhöht ist“, sagt Holzer. Risikofaktoren sind ein ungesunder Lebensstil, mit wenig Bewegung, fett- und zuckerreicher Ernährung und Stressbedingungen.

Das Zellmaterial bekommt die Gruppe der Med-Uni Graz aus Herz-Operationen – natürlich alles mit strenger Reglementierung und dem Bescheid der Ethikkommission. Wird einem Menschen ein neues Herz transplantiert, können die Forschenden aus dem erkrankten Herz der Person die Zellen bekommen, die anzeigen, wo etwas schiefläuft in der Kommunikation zwischen den Zellbestandteilen.

Lexikon

Der Start-Preis des Wissenschaftsfonds FWF ist circa 1,2 Millionen Euro wert, die über den Zeitraum von fünf Jahren ausbezahlt werden. Senka Holzer baut nun an der Med-Uni Graz ihre Forschungen an Herzzellen aus. Ihr Team vergleicht die Vorgänge in gesunden und kranken Zellen.

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