Geografie

Mit Feminismus die Mangrovenwälder in der Südsee retten

Mangroven können fünf Mal mehr Treibhausgase aufnehmen als andere Tropenbäume. 
Mangroven können fünf Mal mehr Treibhausgase aufnehmen als andere Tropenbäume. Heide Bruckner
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Tropische Mangrovenbäume sind nicht nur wahre CO2-Fresser. Sie sind ein wesentlicher Pfeiler sowohl für eine nachhaltige Lebensmittelversorgung als auch für die Weitergabe von kulturellem und ökologischem Wissen über Generationen auf südpazifischen Inseln.

Tag für Tag paddeln die Frauen, die in der Marovo-Lagune auf den Salomonen leben, in kleinen Kanus in die Mangrovenwälder. Hier waten sie barfuß durch das Wasser und sammeln Krabben und Muscheln, manchmal auch Heilpflanzen. Im vergangenen Jahr begleitete sie dabei regelmäßig eine Forscherin der Uni Graz. „Eine anstrengende und schwierige Tätigkeit“, erinnert sich die Geografin Heide Bruckner zurück. Sie hat der Zufall in die weltweit größte Salzwasserlagune verschlagen – oder genauer gesagt die Ökologin Mary Tahu. Diese ist in einem Dorf aufgewachsen, das von Mangroven abhängig ist, und verbrachte ein paar Wochen als Gastwissenschaftlerin an der Uni Graz.

Bruckner selbst ist Expertin für geschlechtsspezifische Aspekte, die den Zugang und die Kontrolle von natürlichen Ressourcen beeinflussen: „Mich interessiert, wie Frauen die Umwelt und Umweltveränderungen erleben.“ Diesen Fokus verbindet sie mit lokalen Ernährungspraktiken, die abseits der kommerziellen Lebensmittelwirtschaft für den Eigenbedarf betrieben werden (Subsistenzwirtschaft) – und auch auf Forschungsebene wenig Aufmerksamkeit erhalten. Durch die Zusammenarbeit mit Tahu sind die Mangroven der Salomonen in ihr Blickfeld gerückt.

»Die Erntearbeit in den Mangroven wird als weibliche Tätigkeit angesehen – und damit als weniger wichtig und wertvoll.«

Heide Katherine Bruckner,

Geografin, Uni Graz

Muschelsammeln für Schulgebühren

Die Mangroven-„Ernte“ ist Teil des Ernährungskonzeptes von indigenen und lokalen Gemeinschaften des südpazifischen Inselstaates. „Überschüsse werden am Markt verkauft und sind eine der wenigen Einkommensmöglichkeiten“, sagt Bruckner. Auch Jugendliche sind ab und zu mit in den Wäldern, um sich durch den Verkauf der gefundenen Muscheln und Krabben die Gebühren für High School oder College leisten zu können.

„Die Erntearbeit in den Mangroven wird nicht nur von Frauen betrieben, aber sie wird als weibliche Tätigkeit angesehen. Das bedeutet, sie gilt als weniger wichtig und wertvoll.“ Die Kompetenzen, die dafür notwendig sind, werden genauso übersehen wie der Wert, den die Arbeit für die Ernährungssouveränität einer Gemeinschaft und die intergenerationelle Weitergabe von traditionellem Ökosystem-Wissen hat. Weil stets in Kleingruppen gearbeitet werde, stärke das zudem das soziale Miteinander und die kulturelle Identität: „Es gibt viele Erzählungen über die Mangroven, wie Legenden von heiligen Tieren, die hier leben.“

Garnelenzuchten und Abholzungen gefährden Mangroven

Mangroven, das meint mehr als nur die tropischen Küstenbäume, deren Blätterwerk auf verflochtenen, stelzenartigen Wurzeln thront. Der Name steht auch stellvertretend für ein ganzes Ökosystem mit einer Vielzahl an Pflanzenarten, das sich Meer- und Landtiere teilen. Fische und Krebse nutzen die Mangroven beispielsweise als Laichgebiet und geschütztes Habitat für den Nachwuchs. Es ist ein hybrider Ort zwischen Land, Süßwasser und Meer, der von den extremen Bedingungen der Gezeiten geprägt ist.

Nur etwa ein Prozent der tropischen Regenwälder sind Mangroven. Diese werden vor allem wegen ihrer enormen CO2-Speicherkraft geschätzt, weil sie fünf Mal mehr Treibhausgase aufnehmen können als andere Tropenbäume. Doch das Ökosystem ist massiv gefährdet: Weltweit fordern Garnelenzuchten, Reisplantagen und Landnutzungsänderungen ihren Tribut. Auf den Salomonen sind die Wälder vor allem durch die kommerzielle Abholzung und Rodungen zur Dorferweiterung sowie den steigenden Meeresspiegel bedroht.

Muschelverkauf am Markt in der Marovo-Lagune (Salomonen).
Muschelverkauf am Markt in der Marovo-Lagune (Salomonen).Heide Bruckner

Mehr als Klima-Superhelden

„Für den Erhalt der Mangroven braucht es lokal verankerte und feministische Ansätze“, resümiert Bruckner, deren Forschung im Südpazifik über das EU-Horizon-Programm und die österreichische Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD) unterstützt wird. „Der Großteil des Landes ist in Besitz von Stämmen. Die Entscheidungen werden tendenziell von männlichen Ältesten getroffen, die als Experten angesehen werden“, erklärt sie. Diese sind auch Ansprechpartner für Organisationen und Programme, die sich um den Erhalt der Mangrovenwälder bemühen. Bruckner will mit ihrer Arbeit dazu beitragen, dass Mangroven nicht nur als „Klima-Superhelden“ gesehen werden: „Dann riskieren wir, dass wir ihren Wert für jene Gemeinschaften übersehen, deren tägliche Ernährung davon abhängt.“

In ihrem nächsten Projekt untersucht sie in Kooperation mit lokalen Unis neben den Salomonen auch die vielschichtige Rolle der Mangrovenwälder in Papua-Neuguinea. Im September macht sie sich dazu wieder auf den Weg in den Südpazifik.

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