Wahrheitssuche

Prozess gegen Lena Schilling: „Sie soll zugeben, dass es eine dreiste Lüge ist“

Die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling muss sich in einem Zivilprozess verantworten.
Die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling muss sich in einem Zivilprozess verantworten. (c) APA / Georg Hochmuth
  • Drucken

Die grüne EU-Spitzenkandidatin soll seit 2022 unwahre Behauptungen über das Ehepaar Sebastian und Veronika Bohrn Mena verbreitet haben. Nun landete der Streit vor Gericht.

Die vergangenen Wochen waren für Lena Schilling durchaus intensiv. Nachdem die Klimaaktivistin von den Grünen zur Spitzenkandidatin für die EU-Wahl präsentiert worden war, dauerte es nicht lang, bis sie zum dominierenden Wahlkampfthema wurde. Vorwürfe wurden laut und lauter, sie nehme es mit der Wahrheit nicht genau, verbreite Unwahrheiten und höre nicht mehr damit auf. Schilling bestritt dies, bekam ein Mandat für Brüssel – der Listenzweite, Thomas Waitz, überholte sie aber auf der Liste per Vorzugsstimmen. Er leitet nun die grüne Zwei-Personen-Delegation aus Österreich im Europäischen Parlament. Am Dienstag nach der Wahl ging es für Schilling bereits nach Brüssel, wo sie erste Briefings für die neuen Abgeordneten besuchte und Vorstellungsgespräche mit Mitarbeitern führte, wie es aus der Partei hieß.

In Wien wurde Schilling am Freitag unterdessen von den Vorkommnissen aus dem Wahlkampf eingeholt. Zwar erschien die 23-Jährige nicht persönlich im Wiener Bezirksgericht Innere Stadt, sondern lediglich ihre Anwältin Maria Windhager. Dennoch war ihr Name omnipräsent. Der Grund: Das Ehepaar Veronika und Sebastian Born Mena (vertreten von Peter Zöchbauer und Daniel Bauer), welches die Vorwürfe im Wahlkampf ventilierte, hatte Schilling geklagt.

Drei Aussagen, eine Tagsatzung

Konkret werfen die Bohrn Menas Schilling vor, seit 2022 „gegenüber einer Vielzahl an dritten Personen“ unwahre Behauptungen „verbreitet“ und dadurch den „wirtschaftlichen Ruf“ der Kläger „gefährdet“ zu haben. Es geht um drei Aussagen: Sebastian Bohrn Mena sei gegenüber seiner Ehefrau mehrfach gewalttätig geworden, wodurch diese eine Fehlgeburt erlitten hätte. Widerrufen soll Schilling weiters, das Ehepaar Bohrn Mena würde sich an einer von ihnen gegründeten und betriebenen gemeinnützigen Stiftung persönlich bereichern und dabei „wie die Mafia“ agieren. Schilling sagte im Wahlkampf, sie habe nur „aus Sorge um eine ehemalige Freundin“ Dinge weitererzählt. Allerdings: „Öffentlich verbreitet“ habe sie diese Dinge nicht, sondern „im privaten Umfeld von diesbezüglichen Befürchtungen erfahren und sich nur unter Wahrung der notwendigen Neutralität und Ausgewogenheit vertraulich über entsprechende Vermutungen ausgetauscht“, wie Anwältin Windhager vor Prozessbeginn ergänzte.

Bei der Tagsatzung, die nun am Freitag um 13 Uhr begann und um 13.40 Uhr auch schon wieder beendet war, konnte der Disput freilich nicht beigelegt werden. Zu diskutieren gab es schlicht zu viel: „Wir sind jedenfalls für einen Vergleich bereit, aber dafür braucht es eine Entschuldigung von Lena, und sie muss zugeben, dass es sich um dreiste Lügen handelt“, sagte Veronika Bohrn Mena. „Wir müssen uns vorwerfen lassen, wir würden uns wichtig machen“, kritisierte sie, dabei gehe es ihr nur darum, das Bild ihrer Familie wieder zurechtzurücken. Immerhin gebe es zwei Söhne, über deren Vater „ein Bild gezeichnet wird, das nicht stimmt“.

Richterin: „Sie sehen, wie sich dieser Konflikt immer mehr ausweitet“

„Sie sehen, wie sich dieser Konflikt immer mehr ausweitet“, sagte Richterin Andrea Zlöbl nach Eröffnung der Verhandlung. Sie wollte daher „über eine gütliche Einigung“ sprechen, immerhin habe es „vor diesem Konflikt sogar eine Freundschaft gegeben“. Insofern sei es besonders „bitter, wenn es zu einer Gerichtssituation kommt – es ist nicht besonders angenehm, von einer Gerichtsentscheidung abhängig zu sein“. Unangenehm blieb die Atmosphäre im Saal 533 des 5. Stockes in Wien Mitte dann aber trotzdem, denn bevor es um Details gehen konnte, setzte ein unfreundlicher Schlagabtausch zwischen den beiden Rechtsvertretern ein: Anwalt Bauer warf Schilling-Vertreterin Windhager vor, regelmäßig Schriftsätze an die Medien zu spielen, sodass seine Mandanten aus der Zeitung erfahren mussten, „dass Frau Schilling einen Vergleich ablehnt“, obwohl man mehrfach an diese herangetreten sei.

Die Anwältin konterte: „Im Artikel steht nur, dass ich mir einen Vergleich nicht vorstellen kann“, denn tatsächlich lägen die Positionen äußerst weiter auseinander. Zudem sei bekanntlich schon am 12. April 2024 ein prätorischer Vergleich mit Sebastian Bohrn Mena (früher für die Liste Pilz aktiv, nun unter anderem Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens) und der Publizistin Veronika Bohrn Mena geschlossen worden. Demnach verpflichtet sich Schilling, künftig die eingangs erwähnten Behauptungen zu unterlassen. Als Streitwert legte man im Vergleich 20.000 Euro fest. Dieser Betrag dient im Vergleich aber nur dazu, die Kosten für Gericht und Anwälte zu berechnen. Der Streitwert hat jedoch nichts mit einer möglichen Strafe zu tun.

Wiedersehen (spätestens) im Oktober

Richterin Zlöbl wollte sich damit nicht abspeisen lassen: „Kennen Sie das Einigungsverfahren Bresnik/Thiem?“, fragte sie. Der ehemalige Trainer und Österreichs ehemalige Tennis-Nummer-eins hätten ein solches durchlaufen und darüber Stillschweigen vereinbart. „Sie könnten das auch versuchen“, schlug Zlöbl vor. „Das ist wirklich eine gute Sache: Es geht um eine Begegnung auf menschlicher Ebene. Können Sie sich so etwas vorstellen?“ Das Ehepaar Bohrn Mena nickte: Man wollte „seit Tag eins einen Vergleich“. Eigentlich hätte man gar nicht vor Gericht erscheinen wollen, aber dann habe man sich gedacht, „vielleicht schaffen wir es irgendwie heute schon, einen Vergleich zusammenzubringen“. Der Vorschlag: „Sie widerruft zumindest gegenüber den Personen, denen sie es gesagt hat, und ersetzt uns die Kosten, dann verzichten wir auf den öffentlichen Widerruf“, sagte Sebastian Bohrn Mena. „Damit ist zwar nicht das gesamte Problem gelöst, es ist nicht perfekt, aber das wäre eine Möglichkeit.“

„Sie verdrehen immer alles“, konterte Maria Windhager, die Schilling vertritt. „Wenn die Öffentlichkeit den Saal verlässt, dann können wir über Details reden.“ Immerhin gehe es um Vertraulichkeit. Insofern wäre es wohl empfehlenswert, in ein Einigungsverfahren zu gehen. Sie werde Rücksprache mit ihrer Mandantin jedenfalls halten, kündigte sie an. Sie gab sich aber wenig optimistisch ob einer solchen Lösung.

Mit diesem Vorgehen zeigte sich die Vorsitzende einverstanden: „Beide Seiten stehen in der Öffentlichkeit, Sie haben deswegen eine gewisse Vorbildfunktion“, mahnte die Richterin. „Es ist viel schwieriger, einen Konflikt eigenverantwortlich aus der Welt zu schaffen.“ Aber: „Wenn Sie jetzt noch die Kurve kriegen, dann gibt es keinen Verlierer“, andernfalls werde sich die Angelegenheit noch über Monate, wenn nicht über Jahre ziehen. Denn: „Man muss es wollen, es hilft nichts, wenn eine Seite nicht will.“ Vorläufiger Stand: Die Parteien beraten separat und reichen dann einen Schriftsatz ein, um in ein Einigungsverfahren zu gehen. Sollte dieses nicht zustande kommen oder keine Ergebnisse bringen, wird der Prozess am 24. Oktober um 13 Uhr fortgesetzt.

Ermittlungen wegen Verleumdung eingestellt

Schilling war auch bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen Verleumdung angezeigt worden. Es wurden Ermittlungen eingeleitet, danach erging ein Bericht an die Oberstaatsanwaltschaft Wien, die befand, „dass das Verfahren mangels Anfangsverdachts einzustellen ist“. Auf „Presse“-Anfrage erklärte das Justizministerium, dass weder der Weisungsrat noch die zuständige Fachabteilung im Ressort Einwände gegen die Einstellung hatten. „Das Verfahren wurde daher von der Staatsanwaltschaft Wien eingestellt“, heißt es aus dem Ressort von Alma Zadić. 

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.