Europa allein stoppt die Erderwärmung nicht, sagt IEA-Chef Fatih Birol. Dennoch müsse der Kontinent im Rennen um grüne Industrien Gas geben – aus rein wirtschaftlicher Vernunft.
Für Fatih Birol ist ein Besuch in Wien ein halbes Heimspiel. Der türkischstämmige Ökonom ist seit 1995 bei der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris, seit 2015 steht er an der Spitze der Organisation. In den 1980ern machte Birol noch seinen Doktor in Energiewirtschaft an der TU Wien, jobbte neben dem Studium am Naschmarkt, lebte „mit Klo am Gang“ und las „Die Presse“ noch in Schwarz-Weiß. Auch danach blieb er Wien zunächst treu und arbeitete mehrere Jahre bei der Opec. Heute könnten die Ansichten „seiner“ IEA und jene seines früheren Arbeitgebers nicht unterschiedlicher sein. Während das Kartell der Ölstaaten unbeirrt eine stark steigende Nachfrage für Öl und Gas vorhersagt, drängt Birol die Welt zu Veränderung. Ein Gespräch über Europa, die OMV, neue Chancen, alte Fehler – und die Gefahr, sie zu wiederholen.
Bei unserem ersten Interview vor eineinhalb Jahrzehnten haben Sie gesagt: „Bis 2017 können wir den Klimawandel noch stoppen.“ Das hat offenbar nicht funktioniert. Was jetzt?
Fatih Birol: Jetzt sind wir auf einem Pfad, der uns einen Anstieg der globalen Temperaturen um 2,3 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts bescheren wird. Das ist nach Ansicht der Wissenschaft sehr gefährlich für das fragile Gleichgewicht unserer Erde. Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen, Waldbränden, Überflutungen und Dürren werden steigen.
Und das Zeitfenster, um das zu verhindern, ist seit sieben Jahren zu?