15 Jahre Presse am Sonntag

Robert Menasse und Xaver Schlager: „Die letzten Minuten spielst du über dem Limit“

Bei Robert Menasse ist die Fußballliebe auch genetisch bedingt: Sein Vater Hans war gefeierter österreichischer Nationalteamspieler.
Bei Robert Menasse ist die Fußballliebe auch genetisch bedingt: Sein Vater Hans war gefeierter österreichischer Nationalteamspieler. Clemens Fabry
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Schriftsteller Robert Menasse im Gespräch mit Nationalteam- und Leipzig-Spieler Xaver Schlager über Fußball und die Europameisterschaft: Wie hart es für Schlager ist, sie nur als Zuschauer zu erleben, warum Fußballer sich heutzutage weder Wuchteln noch Entgleisungen leisten können und wie der Video-Assistent (VAR) das Spiel verändert hat.

Sie haben eine neue Frisur, nach fünf Jahren sind die langen Haare und Ihr charakteristischer Zopf weg. Hat das etwas mit der Verletzung zu tun?

Xaver Schlager: Sagen wir mal so, es war jetzt ein guter Zeitpunkt für Veränderung. Ich bin nach der Kreuzbandoperation auf Reha und ein bisschen weg vom Rampenlicht. Man hofft, dass es Glück bringt und eine Veränderung stattfindet, dass man positiv in die Zukunft schaut.

Robert Menasse: Man muss nur aufpassen, dass man sich nicht eine Frisur machen lässt, für die man länger braucht als für das Training, damit es in Ordnung ist.

Xaver Schlager überraschte in ServusTV am 10. Juni mit neuer Kurzhaarfrisur und mittlerweile entspannter Einstellung zur versäumten Europameisterschaft. Anfangs sei der Schmerz groß gewesen.
Xaver Schlager überraschte in ServusTV am 10. Juni mit neuer Kurzhaarfrisur und mittlerweile entspannter Einstellung zur versäumten Europameisterschaft. Anfangs sei der Schmerz groß gewesen. Servustv / Johannes Jank

In Deutschland gab es Diskussionen, warum es einen eigenen Friseur gibt im DFB-Camp und ein Spieler hat gesagt, das gehöre genauso dazu wie alles andere, damit es am Kopf stimmt.

Xaver Schlager: Das kann ich schon verstehen. Man ist bis zu einem Monat lang zusammen im Camp. Ich glaube, man kann nur Leistung bringen, wenn man sich gut fühlt. Das ist vergleichbar mit einem Vorstellungsgespräch oder wenn man einen wichtigen Termin hat.

Robert Menasse: Es geht ja nicht nur darum, dass es auf dem Kopf stimmt. Es muss ja auch im Kopf stimmen. Wir reden aber zunächst nicht von der Mentalität, von der ich den Eindruck habe, dass die wirklich stimmt beim österreichischen Team. Ich will auf die französische Mannschaft hinaus. Kylian Mbappé hat bei einer Pressekonferenz eine tolle Rede gehalten hat, in der er davor warnte, die Rechtspopulisten zu wählen. Er hat gesagt: „Wenn ihr auf uns und unsere Mannschaft als Nationalteam stolz sein wollt, dann überlegt euch gut, wen ihr wählen werdet.“ Kann man sich vorstellen, dass ein österreichischer Kicker vor der Nationalratswahl sagt: „Überlegt euch gut, ob ihr die FPÖ wählt und wollt ihr weiter stolz auf die Mannschaft sein? Oder wollt ihr die Rechtspopulisten wählen, die unser Land kaputt machen?“ Können Sie sich vorstellen, dass das einer macht?

Xaver Schlager: Das ist eine berechtigte Frage. Man muss aber sagen, dass Mbappé eine ganz andere Aufmerksamkeit hat, er hat beim Fußball die größte Strahlkraft. Aber natürlich könnte es passieren, dass das jemand von uns macht. Ich bin mir nicht sicher. In der heutigen Zeit ist es extrem schwierig, seine Meinung zu sagen.

Robert Menasse: Aus Angst vor einem Shitstorm oder Imagebeschädigung?

Xaver Schlager: Generell. Wir machen Sport, wir können uns darüber äußern. Ich bin nicht in der Politik tätig. Ich kenne mich jetzt nicht wirklich so gut aus, muss ich sagen. Wenn ich dazu öffentlich eine Meinung vertrete, kommen Gegenrufe und es wird nachgefragt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dann so gut argumentieren kann, damit es glaubhaft ist. Ich kann aber nur von mir sprechen.

Robert Menasse: Mir ist in den letzten Jahren aufgefallen, dass Fußballer begonnen haben, ganz anders und viel kontrollierter zu sprechen. Als würden sie alle gecoacht werden. Ich bin leider alt genug, dass ich mich erinnern kann, an den Schmäh vom Toni Polster oder von Buffy Ettmayer, ich kann mir so etwas bei den heutigen Fußballern gar nicht mehr vorstellen. Warum ist der Schmäh so verloren gegangen?

Xaver Schlager: Das ist nicht nur im Bereich Fußball so, es ist ja überall auf der Welt so. Ich glaube, dass keiner mehr wirklich öffentlich das sagt, was er denkt. Man sieht es ja tagtäglich. Es werden ein paar einzelne Fetzen herausgepickt und dann wird schon hingehaut. Weil heutzutage sehr viele Leute nur darauf warten, bis du einen Fehler machst, dann können sie hinhauen und fühlen sich dadurch besser. Ich glaube, das ist die Entwicklung der Gesellschaft. Ich persönlich versuche immer das zu sagen, was ich denke. Warum das heutzutage nicht mehr so ist wie früher, kann ich nicht sagen. Vielleicht haben wir ein wenig den Humor verloren.

Robert Menasse: Ich habe bei Ralf Rangnick das Gefühl, dass er so ein klares Konzept und System hat und die Mannschaft in dem Sinn aufstellt, dass es dann keine Diskussionen in der Mannschaft gibt. Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass es keine gibt. Wissen Sie, was ich meine? Ich habe leider das Talent meines Vaters nicht geerbt, aber ich habe trotzdem in einer Juniorenmannschaft Fußball gespielt, bis mir klar wurde: „Ich bin nicht gut genug, um das wirklich ernsthaft weiterzumachen.“ Aber was wir dort diskutiert haben, auch in der Pause, im Hinblick darauf, wie wir uns einstellen oder wer mit wem und so weiter, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass eine Mannschaft intern nicht diskutiert. Ich habe noch nie erlebt, dass es einen Trainer gegeben hat, der so eine klare Position hatte, dass sich jede Diskussion erübrigt. Wissen Sie, was ich meine?

Xaver Schlager: Natürlich. Es wird auch noch immer diskutiert. In der Pause oder nach dem Spiel sitzen wir noch in kleinen Gruppen bei einem Bier zusammen und diskutieren, was wir falsch gemacht haben, was richtig. Bei uns ist das wie bei jedem anderen Beruf auch.

Robert Menasse und Friederike Leibl in den Räumlichkeiten der „Presse“ beim Videogespräch mit Xaver Schlager in Thalgau.
Robert Menasse und Friederike Leibl in den Räumlichkeiten der „Presse“ beim Videogespräch mit Xaver Schlager in Thalgau. Clemens Fabry

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