Der ökonomische Blick

Stabile Einkommensungleichheit trotz dynamischer Arbeitsmarktveränderungen in Österreich

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In einigen Ländern hat die Einkommensungleichheit in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. In Österreich hat sie sich seit 2004 nicht wesentlich verändert. Woran liegt das?

Die Einkommensungleichheit in Österreich ist moderat und hat sich seit 2004 nicht wesentlich verändert. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationalen Länder Studie, die im Rahmen des IFS Deaton Review veröffentlicht wurde. Dieses Projekt ist ein Zusammenschluss internationaler Forscherinnen aus verschiedenen Disziplinen unter der Schirmherrschaft des Nobelpreisträgers Professor Sir Angus Deaton. Ziel der Länderstudie ist es, länderübergreifend vergleichbare Statistiken zur (Un-)Gleichheit und zum Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Einkommensverteilung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (25 bis 60 Jahre).

Länder mit steigender Ungleichheit

In einigen Ländern hat die Einkommensungleichheit in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Dazu gehören die USA, die traditionell eine hohe Einkommensungleichheit und damit einen hohen Gini-Koeffizienten aufweisen. Der US-amerikanische Gini-Koeffizient ist von 40,6 im Jahr 1980 bis 2020 um rund 10 Prozent (auf 44,8) gestiegen. In Deutschland ist der Gini-Koeffizient, ausgehend von einem niedrigeren Niveau (von 33,7), sogar um 18 Prozent gestiegen. Dänemark hatte über viele Jahre einen sehr konstanten und niedrigen Gini-Koeffizienten. Seit 2010 ist er jedoch deutlich angestiegen und liegt 2020 bei 32,7.

Was ist „Der ökonomische Blick“?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der „Presse“ einen Blogbeitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Dieser Beitrag ist auch Teil des Defacto Blogs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Central European University (CEU). Die CEU ist seit 2019 in Wien ansässig.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse“-Redaktion entsprechen.

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In Österreich ist die Einkommensungleichheit konstant

In anderen Ländern hat sich die Einkommensungleichheit kaum verändert. Dazu zählt auch Österreich. Für Österreich liegen konsistente Daten nur für eine kürzere Zeitreihe vor. Zwischen 2004 und 2019 lag der Gini-Koeffizient relativ konstant bei einem Mittelwert von rund 34,1. Ein weiteres Beispiel ist Frankreich. Der französische Gini-Koeffizient liegt seit langem konstant bei einem Mittelwert von rund 31,3. In einigen wenigen Ländern ist die Einkommensungleichheit in den letzten Jahren zurückgegangen. Ein Beispiel ist Portugal. Im Jahr 2004 lag der portugiesische Gini-Koeffizient noch bei 36,2. Seitdem ist er dramatisch gesunken und lag im Jahr 2019 nur noch bei 28,1.

Massive Verschiebungen am österreichischen Arbeitsmarkt

Ein verengter Blick auf die Einkommensungleichheit verdeckt jedoch, dass es in Österreich in den letzten Jahrzehnten massive Verschiebungen in der Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung gegeben hat. Vier wichtige Trends sind zu nennen: (i) ein massiver Anstieg der Erwerbsbeteiligung von Frauen, (ii) eine deutliche Verschiebung in der Bildungsverteilung, (iii) ein Trend zur Teilzeitarbeit bei Frauen und auch bei Männern, (iv) ein anhaltendes geschlechtsspezifisches Gefälle in der Markt- und Nichtmarktarbeit von Eltern und (v) eine Zunahme der Arbeitsmigration mit einem beträchtlichen Anteil von Grenzgängern.

Verschiebungen dämpften en gros die Ungleichheit

Insgesamt scheinen die Veränderungen in der Zusammensetzung des Arbeitsmarktes einen dämpfenden Effekt auf die Ungleichheit gehabt zu haben. Mit Ausnahme der Gruppe der Zuwanderer konzentrieren sich die Neuzugänge zum Arbeitsmarkt eher in der Mitte der Verteilung als an den Extremen. Das untere Ende der Einkommensverteilung wurde in den letzten Jahren von Geringqualifizierten, Teilzeitbeschäftigten und Immigranten gebildet. Gut ausgebildete Frauen befinden sich in der Mitte der Verteilung, unter dem Median, wenn sie Teilzeit arbeiten, und über dem Median, wenn sie Vollzeit arbeiten. Die Spitzenverdiener sind nach wie vor Männer. Aufgrund der geringen Anzahl von Beobachtungen in den Umfragedaten kann jedoch nicht viel über die Anteile der Spitzenverdiener gesagt werden.

Wohlfahrtsstaat blieb unberührt

Ein weiterer Grund für das Ausbleiben von großen Veränderungen in der Einkommensungleichheit ist die Stabilität des institutionellen Umfelds. Während andere europäische Länder größere Reformen ihrer Steuer- und Sozialsysteme durchführten, blieb der österreichische Wohlfahrtsstaat relativ unberührt.

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