Ukraine-Krieg

EU umgeht ungarisches Veto und bringt neue Militärhilfe für die Ukraine auf den Weg

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock bei Interviews während des EU-Außenministerrats in Luxemburg.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock bei Interviews während des EU-Außenministerrats in Luxemburg.Imago / Thomas Koehler
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Die rund 1,4 Milliarden Euro sind Zinserträge aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank in der EU. Außerdem verschärfte die Union ihre Sanktionen gegen Russland: Es wird künftig verboten sein, russisches Flüssiggas für den Transport in Drittländer umzuladen.

Die EU bringt rund 1,4 Milliarden Euro Militärhilfe für die Ukraine auf den Weg. Bei einem Außenministertreffen in Luxemburg sei das geplante Verfahren dafür gebilligt worden, bestätigen mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur.

Ungarn blockiert seit Monaten die Auszahlung von EU-Geldern für Militärhilfen für die Ukraine. Die Regierung in Budapest begründet dies mit Zweifeln an der Effizienz der Unterstützung des angegriffenen Landes und Sorgen vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. In Brüssel geht man allerdings davon aus, dass es ihr auch darum geht, wegen Rechtsstaatsbedenken eingefrorene EU-Gelder für Ungarn freizupressen.

Zinserträge aus eingefrorenem russischem Vermögen

Die rund 1,4 Milliarden Euro, um die es jetzt geht, sind Zinserträge aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank in der EU. Diese für die Ukraine zu nutzen, war bereits vor mehreren Wochen von der EU grundsätzlich beschlossen worden. Wegen der ungarischen Veto-Politik war aber zunächst unklar gewesen, wann sie verwendet werden können.

Das nun gewählte Verfahren sieht vor, dass das Geld an Länder wie Deutschland oder Tschechien fließt, die der Ukraine dann damit zeitnah Ausrüstung für die Luftverteidigung oder Artilleriegeschosse zur Verfügung stellen.

Nach Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen eingenommen zu haben.

Den Vorschlag zur indirekten Verwendung russischer Gelder für die Ukraine hatten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell den Regierungen der EU-Staaten im März übermittelt. Er sieht vor, dass 90 Prozent der nutzbaren Zinserträge aus der Verwahrung russischer Zentralbank-Gelder in den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung geleitet werden sollen. Die restlichen zehn Prozent sollen für direkte Finanzhilfen für die Ukraine genutzt werden.“Wir haben ein rechtliches Verfahren, um jede Art von Blockade zu vermeiden“, sagte Borrell.

Sanktionen gegen Russland: Flüssiggas im Visier

Die EU-Mitgliedsstaaten haben außerdem am Montag in Luxemburg ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland beschlossen, das seit zweieinhalb Jahren einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen das EU-Beitrittswerberland Ukraine führt. Wie es in einer Erklärung des Rates der EU heißt, werden gegen weitere 116 Personen und Institutionen Strafmaßnahmen verhängt. Auch wird es in der Europäischen Union künftig verboten sein, russisches Flüssiggas für den Transport in Drittländer umzuladen.

Somit ist etwa der belgische Hafen Zeebrugge künftig für die Verschiffung von russischem LNG tabu. Dies führt dann im Idealfall dazu, dass Russland wegen mangelnder Transportkapazitäten weniger Flüssigerdgas verkaufen und weniger Geld in seinen Angriffskrieg stecken kann.

Die EU hat unmittelbar nach Kriegsausbruch beschlossen, bis zum Jahr 2027 komplett unabhängig von russischem Erdgas und Erdöl zu sein. Auch aufgrund des Widerstandes von Ländern wie Österreich oder Ungarn gibt es aber noch keinen kompletten Boykott von fossilen Energieträgern aus Russland. Über Pipelines kommendes Gas und Erdöl darf weiterhin abgenommen werden.

Boykott von fossilen Energieträgern?

Für Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ist das Fehlen eines kompletten Verbots von russischen Gasimporten aber kein Grund, das Sanktionspaket kleinzureden. „Ich gebe zu, dass wir natürlich die großen Schüsse schon längst gesetzt haben und dass es jetzt mehr um Arrondierungen, Lückenschließungen geht“, sagte er am Montag in Luxemburg. Tatsache sei, dass einige Staaten in einer ähnlichen Situation wie Österreich wären, „wo eine hundertprozentige Abkehr von russischen Gas problematisch wäre“ - Nachsatz: „Sie ist managebar, aber sie wäre problematisch“.

Das 14. Sanktionspaket untersagt Investitionen in russische Flüssiggas-Projekte und soll auch Schlupflöcher zur Sanktionsumgehung schließen. Verstöße gegen die aktuellen Regeln führen beispielsweise dazu, dass Russlands Rüstungsindustrie noch immer westliche Technologie nutzen kann, um Waffen für den Krieg gegen die Ukraine herzustellen. Nun werden weitere Unternehmen sanktioniert, die durch Handel zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands beigetragen haben sollen. Sie haben ihren Sitz nach EU-Angaben in Drittländern wie China, Kasachstan, Kirgistan, der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Eine Einigung auf das neue Sanktionspaket hatten am vergangenen Donnerstag die ständigen Vertreter der EU-Staaten in Brüssel nach zähen Verhandlungen erzielt. Die deutsche Regierung setzte dabei zugunsten der deutschen Wirtschaft durch, dass Pläne für strengere Maßnahmen gegen Sanktionsumgehungen abgeschwächt wurden. Grund waren Warnungen von Unternehmen, die einen zu hohen Verwaltungsaufwand und Umsatzverluste befürchtete. Entsprechend gab es am Montag Kritik an der deutschen Regierung. Die Sanktionen seien „bedauerlicherweise schwächer“ als geplant, kritisierte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis. Sein estländischer Kollege Margus Tsahkna sagte, es werde „immer schwerer in der Europäischen Union, einen Konsens über neue Sanktionen zu finden“.

Kritiker der EU-Sanktionspolitik sehen diese als wenig effektiv an. Befürworter kontern diesen Vorwurf mit dem Hinweis, dass die Sanktionen zu zögerlich verhängt worden und immer noch nicht umfassend genug seien. (APA/dpa/Reuters)

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