Gastkommentar

Beobachtungen zur Fußball-EM

Schottland fiel zwar weniger durch seine fußballerische Leistung, umso mehr aber wegen seiner enthusiastischen Fans auf.
Schottland fiel zwar weniger durch seine fußballerische Leistung, umso mehr aber wegen seiner enthusiastischen Fans auf. Imago / Andrew Milligan
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Aufregende Matches und begeisterte Fans: Und was fällt sonst noch auf bei der Fußball-EM in Deutschland?

Die 17. Fußball-EM der Männer in Deutschland ist voll im Gang: spannende Spiele, volle Stadien und riesige Begeisterung. Aktuell wird die Vorrunde gespielt. Was fällt bis dato besonders auf?

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Mein kurzes Zwischenresümee in sieben Punkten:

Erstens: Euphorie der Fans. Es ist bekannt, dass Großereignisse wie Fußball-EMs global ein großes Zuschauerinteresse nach sich ziehen. Der in Deutschland beobachtete kollektive Patriotismus der Fans, zusätzlich präsentiert durch eine uniforme Kleidungspracht, scheint unübertroffen zu sein. Wir wissen aus sozialpsychologischen Studien, dass diese positive Unterstützung der/die berühmte „zwölfte“ Mann/Frau sein kann.

Zweitens: Spielregel. Die Einführung der neuen Spielregel, die besagt, dass nur die beiden Kapitäne oder deren Vertreter, falls der Kapitän ein Tormann ist, mit dem Schiedsrichter kommunizieren dürfen, hat sich als sinnvoll erwiesen. Bis jetzt konnten keine Rudelbildungen um den Unparteiischen beobachtet werden.

Drittens: Fluides Spiel. Die Teams von Deutschland, Italien und Dänemark zeigten in ihren ersten Spielen eine Tendenz zum temporären relationistischen Spiel, das in Brasilien von Fernando Diniz initiiert wurde. Im Gegensatz zum positionellen Spiel, bei dem das Besetzen von Spielzonen mit klarer Struktur und einstudierten Abläufen im Mittelpunkt steht, geht es hier um ein fluides, selbst organisiertes Spiel.

Kreativität gefragt

Alles dreht sich um den Ball. In jeder Spielsituation wählen die Spieler ihre Position flexibel und adaptiv, je nach aktuellem Spielkontext und in Abhängigkeit vom Ball, aus. Somit sind im Speziellen divergent taktische Kompetenzen in Form von Kreativität gefragt. Als Beispiele dienen die beiden spanischen Flügelstürmer Williams und Lamal und die zahlreiche gegnerische Box-Besetzung durch deutsche Offensivspieler.

Viertens: Weitschusstreffer. Bei der letzten EM 2021 fielen 73,8 Prozent der Treffer in der sogenannten Goldenen Zone. Das ist der Fünfer- und verlängerte Fünfer-Raum bis zur Strafraumgrenze. Und aus dem Bereich außerhalb der 40-m-Strafraumlinie konnten 16,2 Prozent der Tore erzielt werden. Der Trend setzt sich fort. Steht die Abwehrformation kompakt, so sind Schüsse außerhalb der Box ein probates Mittel. So konnten schon einige herrliche Weitschusstreffer (Güler, Shaqiri, Hjulmand) beobachtet werden.

Fünftens: Die Spieler sind die Protagonisten. Grandiose Vereinstrainer prägen mit ihrer Spielphilosophie auch das Gesicht der Nationalmannschaft. Pep Guardiola ist einer der Besten seiner Zunft. Als er Trainer des FC Barcelona war und viele seiner Spieler im Nationalteam standen, errang Spaniens Nationalteam Europa- und Weltmeistertitel (2008–2012). Danach trainierte er den FC Bayern München und die Deutschen wurden 2014 Fußball-Weltmeister. Aktuell stehen in der deutschen Elf mit Rüdiger, Kroos (Real Madrid; Trainer Ancelotti), Andrich, Wirtz (Leverkusen; Trainer Alonso) und Musiala, Kimmich (Bayern München; Trainer: Tuchel) Spieler, die im Vereinstraining mit gleichgearteten spieltaktischen Konzepten konfrontiert werden. Ein Vorzeichen?

Sechstens: Eigentore. Nach 24 Spielen und 61 Treffern gab es schon sechs Eigentore. Das ist mit etwa zehn Prozent ein ungewöhnlich hoher Wert.

Siebentens: Österreich. Unser Team spielte fulminant gegen Polen und ist auf dem besten Weg ins Achtelfinale. Bravo!

Dr. Johannes Uhlig ist Sport­wissenschafter, Pädagoge, Dozent in der Fußballtrainer/innenausbildung, Fußballtrainer mit Uefa-Pro-Diplom.

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