Erweiterung

EU startet Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau

Die belgische Außenministerin Hadja Lahbib (Mitte) mit der ukrainischen Vizepremierministerin Olga Stefanishyna und dem EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi in Luxemburg.
Die belgische Außenministerin Hadja Lahbib (Mitte) mit der ukrainischen Vizepremierministerin Olga Stefanishyna und dem EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi in Luxemburg.APA / AFP / Jean-christophe Verhaegen
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Der ukrainische Präsident Selenskij betont: „Heute ist der Tag, auf den wir alle lange und hart hingearbeitet haben“. FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht in dem Start der Beitrittsgespräche mit der Ukraine einen „politischen Wahnsinn

Die EU hat am Dienstag offiziell die Beitrittsgespräche mit der Ukraine und mit Moldau eröffnet. Für ihr Land sei es ein „historischer Moment“, sagte die ukrainische Vize-Premierministerin Olga Stefanishyna in Luxemburg. „Heute ist der Tag, auf den wir alle lange und hart hingearbeitet haben - die gesamte Mannschaft der Ukraine“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskij in einer Videobotschaft vor seinem Amtssitz in Kiew am Dienstag.

Das Land habe nun die definitive Gewissheit, ein vollwertiges Mitglied der EU zu werden. Dabei erinnerte Selenskyj an die Unterzeichnung des Beitrittsgesuchs am fünften Tag der russischen Invasion Ende Februar 2022. Mit Selenskyj waren Regierungschef Denys Schmyhal und Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk auf dem Video zu sehen.

„Viele haben gesagt, das ist nicht mehr als ein Traum“, sagte Selenskij. Nach „Tausenden von Treffen und Telefonaten“ habe Kiew jedoch die Bedingungen für die Aufnahme der Gespräche dank der Entschlossenheit des ukrainischen Volkes erfüllt.

„Wir werden dieses Ziel - wie auch alle anderen unsere Ziele - definitiv erreichen“, sagte Ministerpräsident Schmyhal. Parlamentspräsident Stefantschuk meinte, dass die Ukraine den Prozess in Rekordzeit absolvieren werde. „Wir haben alle notwendigen Gesetze verabschiedet und werden das auch weiter tun, damit die Ukraine nie wieder vom europäischen Haus gelöst wird“, unterstrich Stefantschuk. Der ukrainische Beitritt sorge für eine stabile und sichere Zukunft Europas.

Ukraine hofft auf möglich Beitritt bis 2030

Verhandlungen gibt es am Dienstag wohl noch keine. Vielmehr soll den beiden Beitrittskandidaten der Verhandlungsrahmen, über den sich die EU-Staaten vergangene Woche geeinigt hatten, vorgestellt werden. Stefanishyna zeigte sich gegenüber Medienvertretern aber zuversichtlich, dass die ersten Verhandlungen zu konkreten Themenbereichen bereits 2025 aufgenommen werden könnten und dass ein Beitritt bis 2030 möglich sei.

Die Gespräche finden am Rande eines Treffens der EU-Europaminister in Luxemburg statt. Am Abend eröffnete die Europäische Union auch hat die Beitrittsverhandlungen mit Moldau. Vertreter des kleinen Nachbarlandes der Ukraine und der EU kamen am Dienstagabend in Luxemburg zu einer ersten sogenannten Regierungskonferenz zusammen. Die EU will den beiden Kandidatenländern dabei die Leitlinien und Grundsätze für die Verhandlungen vorstellen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wünscht der Ukraine und Moldau einen „erfolgreichen Start“ der Verhandlungen über die EU-Aufnahme. Die Eröffnung der Verhandlungen sei eine sehr gute Nachricht für die Menschen in der Ukraine, in Moldau und in der gesamten Europäischen Union, schrieb sie auf der Internetplattform X. „Der vor uns liegende Weg wird anspruchsvoll, aber auch voller Chancen sein.“

Kritik der Rechtsparteien

„Nicht einverstanden“ über die EU-Beitrittsgespräche mit Kiew äußerte sich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Den Zeitungen der deutschen Funke Mediengruppe sagte Orban: „Ungarn ist mit diesem Beitrittsprozess nicht einverstanden, aber wir blockieren ihn nicht und unterstützen den Start der Verhandlungen.“ Die Gespräche seien „ein rein politisch motivierter Prozess“.

Es gehe nicht um Ja oder Nein zur EU-Mitgliedschaft. „Aber wir müssten erst prüfen, was die Folgen wären, wenn wir ein Land im Krieg aufnehmen, dessen Grenzen in der Praxis nicht geklärt sind“, sagte Orban, dessen Land am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Er fragte auch nach den Folgen des Beitritts eines solch riesigen Landes für die Landwirtschaft der EU. „Jetzt beginnen wir Verhandlungen, ohne da Klarheit zu haben, das ist nicht gut.“

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht in dem Start der Beitrittsgespräche mit der Ukraine einen „politischen Wahnsinn“ und eine „Fehlentwicklung der Union“. In einer Aussendung kritisiert Kickl Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) dafür, dass dieser den Beginn der Gespräche nicht mit einem Veto verhindert habe. Statt einem EU-Beitritt der Ukraine wären „Initiativen für Frieden“ und damit „ein möglichst rasches Ende des sinnlosen Sterbens, des unermesslichen Leids und der Zerstörung“ eigentlich die Aufgabe der EU, so Kickl.

Kandidatenstatus muss nicht zwangsläufig in Beitritt münden

Der Außenpolitiksprecher und künftige EU-Abgeordnete der NEOS, Helmut Brandstätter, begrüßt die Aufnahme der Beitrittsgespräche in einer Aussendung. Die beiden Länder hätten alle Voraussetzungen für den Beginn der Gespräche erfüllt und würden weiter Reformen in ihren Ländern umsetzen. Der Beitrittsprozess müsse aber auch von EU-Reformen begleitet werden. „Jetzt ist der Moment gekommen, mutige Schritte zu setzen und tiefgreifende Vertragsänderungen anzustoßen. Die EU muss sich von den Fesseln der Einstimmigkeit befreien, um auch mit mehr als 27 Mitgliedern handlungsfähig zu sein“, wird Brandstätter in der Aussendung zitiert.

Wie lange es nach einem Start der Gespräche bis zum EU-Beitritt dauern könnte, ist völlig offen. Der Prozess kann viele Jahre dauern. Theoretisch kann ein Beitrittskandidat auch nie Mitglied werden. So gilt es bei der Ukraine derzeit auch als ausgeschlossen, dass sie vor dem Ende des russischen Angriffskriegs EU-Mitglied wird. Denn dann könnte Kiew nach Artikel 42, Absatz 7 des EU-Vertrags militärischen Beistand einfordern - und die EU wäre Kriegspartei.

Am Mittwoch soll es in Brüssel dann auch Verhandlungen mit dem Beitrittskandidaten Montenegro geben - hier sind die Gespräche allerdings schon weiter fortgeschritten - es handelt sich um die bereits 16. Beitrittskonferenz für das Land. (APA/dpa)

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