Regierung

Koalitionskrise nimmt kein Ende

Verfassungsministerin Edtstadler (ÖVP) widerspricht der grünen Umweltministerin Gewessler.
Verfassungsministerin Edtstadler (ÖVP) widerspricht der grünen Umweltministerin Gewessler.Max Slovencik/APA
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Die ÖVP brachte die angekündigte Strafanzeige gegen Leonore Gewessler ein und widerspricht Aussagen der grünen Umweltministerin im „Presse“-Interview.

Wien. Es kehrt keine Ruhe ein in den türkis-grünen Koalitionsstreit. Am Donnerstag hat die ÖVP die von ihr angekündigte Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen die grüne Umweltministerin, Leonore Gewessler, eingebracht. In der Anzeige, die der „Presse“ vorliegt, wirft die ÖVP Gewessler vor, mit ihrer Zustimmung zur EU-Renaturierungsverordnung „wissentlich ihre Befugnis (...) missbräuchlich ausgeübt“ zu haben, weil sie kein Einvernehmen mit den Bundesländern und dem ÖVP-geführten Landwirtschaftsministerium hergestellt hatte.

Die Argumente in der Strafanzeige sind hinlänglich bekannt: Gewesslers Zustimmung auf EU-Ebene sei „nach innerstaatlichem österreichischen Recht zu Unrecht erfolgt und verstößt gegen die einschlägigen verfassungsgesetzlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben“, heißt es. Es sei eine ablehnende einheitliche Stellungnahme der Bundesländer vorgelegen, außerdem habe die Ministerin nicht das Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsministerium hergestellt.

Auch von der Strafanzeige abgesehen liefern sich die Regierungsparteien weiterhin einen Schlagabtausch mit Rechts­ein­schät­zun­gen. Via „Ku­rier“ richtete Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) aus, Gewessler gehe anscheinend davon aus, dass das Recht der Politik zu folgen habe. Dabei müsse die Politik vielmehr dem Recht folgen und dieses besage nun einmal, dass sie sich an den aufrechten Beschluss der Bundesländer hätte hal­ten müssen, die sich schriftlich gegen die EU-Renaturierung ausgesprochen hatten (bevor Wien und Kärnten von dieser Linie abwichen, Anm.).

»Widersprüchlicher als die Klima­ministerin kann man nicht argumentieren – ganz nach Pippi Langstrumpf: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“«

Karoline Edtstadler,

Verfassungsministerin (ÖVP)

Aber, so Nehammer weiter: „Natürlich macht die Politik auch Recht, indem sie Gesetze beschließt. Bei Kickl kam lautstarke Kritik, weil er es gesagt hat – aber Gewessler hat genau das getan. Sie hat Aktionismus betrieben, eine plumpe Provokation gesetzt.“ Ein solches Vorgehen halte er für falsch: „Die Verfassung ist das gemeinsame Band, das alle verbindet, und die Energieministerin hat das Band durchschnitten.“

Gewessler hin­ge­gen sieht sich vollkommen im Recht, wie sie zuletzt im Interview mit der „Presse“ erklärte. Sie argumentiert einerseits auf Basis von vier Privatgutachten, andererseits sagt sie: „Ich habe mich an die langjährige Praxis in diesem Land gehalten und genauso gehandelt wie ÖVP-Minister in der Vergangenheit. Als Gerhard Karner (ÖVP-Innenminister, Anm.) im Ministerrat die Blockade des Schengen-Beitritts von Rumänien und Bulgarien durchgezogen hat, hat er das gegen den Willen des Koalitionspartners getan. Als Norbert Totschnig (ÖVP-Landwirtschaftsminister, Anm.) die Umweltstandards in der Agrarpolitik abgesenkt hat, hat er das gegen meinen expliziten Widerstand getan. Die beiden haben rechtskonform gehandelt, ich also auch.“

Edtstadler widerspricht

Das wiederum wollte am Donnerstag Verfassungsministerin Karoline Edt­stad­ler (ÖVP) nicht so stehen lassen: „Widersprüchlicher als die Klimaschutzministerin kann man nicht argumentieren – ganz nach Pippi Langstrumpf: ,Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.‘ Einmal wirft sie Bundesminister Totschnig im Zuge der Verhandlungen zur gemeinsamen Agrarpolitik Rechtsbruch vor, nun wiederum bescheinigt sie ihm doch rechtskonformes Handeln und will damit ihren Rechtsbruch rechtfertigen“, sagte sie zur „Presse“.

Beide genannten Fälle seien aber anders gelagert. „Entscheidend bei der Bewertung ist, ob Ministerien bei der Umsetzung des infrage ste­hen­den Vorhabens auch Maßnahmen, etwa durch Verordnungen oder Gesetze, setzen müssen.“

Im Falle der Renaturierung ist laut der Verfassungsministerin völlig unumstritten, dass etwa weitreichende, konkrete Maßnahmen durch den Landwirtschaftsminister notwendig seien – beispielsweise im Bereich Wasser- oder Forstgesetze. „Bei der gemeinsamen Agrarpolitik besteht hingegen für die Klimaschutzministerin überhaupt kein Handlungsbedarf, solche konkreten legistischen Maßnahmen zu setzen oder Gesetze zu ändern“, sagte Edt­stad­ler. Auch bei der Schengen-Frage sei ausschließlich der Wirkungsbereich des Innenministers betroffen.

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